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Kultur: Liebe und andere Todesfälle

Drei Ehen, drei Enden: „Mister Peanut“, der Debütroman des Amerikaners Adam Ross

Drei Ehefrauen, eine begehrenswerter als die andere, zumindest aus der Sicht ihrer Ehemänner. Alice, eine junge New Yorker Lehrerin, wiegt sage und schreibe 130 Kilo. Sie wird diese Geschichte nicht überleben. Hannah hat sich aus dem ehelichen Leben ins Bett zurückgezogen – ein freiwilliger Pflegefall. Ihr Mann hält ihr trotzdem die Treue. Und Marilyn, die altmodischste und fürsorglichste der drei Frauen, hat ihrem Mann eine Affäre verziehen und sich dadurch selbst vor einem Seitensprung bewahrt. Auch sie kommt im Verlauf dieses wilden Romans ums Leben. Sie wird in ihrem Bett erschlagen.

„Mister Peanut“ ist der erste Roman des 1967 in New York City geborenen Journalisten Adam Ross. Es handelt sich dabei trotz der brutalen Tode von zwei Hauptdarstellerinnen nicht um einen Kriminalroman, sondern um eine Liebesgeschichte – oder um eine Geschichte über das, was aus der Liebe werden kann. Auf drei verschiedene Weisen geht es um die Deformation von Liebe, um die Deformation von liebenden Menschen.

Alice, das schöne Schwergewicht mit dem Engelsgesicht, und ihr Mann David, stehen im Vordergrund dieser Trilogie des Scheiterns. Sie haben es gut und schlecht zugleich. Sie hatten eine lange, wunderbare Zeit zu zweit, nun scheitern sie an dem Versuch, eine Familie zu werden: Alice erleidet Fehlgeburten, reihenweise. Der Versuch, aus Liebe Familienglück zu machen und dabei die Interessen aller Beteiligten zu wahren, dürfte in der westlichen Welt das wichtigste Projekt der meisten Menschen zwischen zwischen 25 und 50 sein. Adam Ross wendet jedenfalls seine erzählerische Kraft und seine abgründige Fantasie darauf, David und Alice zu porträtieren.

Wie Alice aus einem Glücksgefühl heraus schwanger werden will –  und David zunächst mit dem Herzen nicht ganz dabei ist. Wie zwischen den beiden ein Krieg beginnt, in dem es um Verantwortung füreinander geht. Wie sie trotzdem miteinander weitermachen, aber nichts mehr ist wie vorher. Das alles beschreibt Adam Ross mit viel Sinn für die Wucht, die Schönheit und die zerstörerische Kraft von Gefühlen. Eine fast thrillerhafte Spannung durchzieht seinen Debütroman. Dass Alice auf eine bizarr-unglückliche Weise zu Tode kommt, erfährt man gleich am Anfang – doch wie es dazu gekommen ist, erzählt Ross mit Lust, Humor und einer Freude an Beziehungsdynamik und gegenseitigen Abhängigkeiten, die an den vor drei Jahren verstorbenen amerikanischen Großschriftsteller und Ehespezialisten John Updike erinnert.

Erst sieht man diesem Paar, das keine materiellen Sorgen und anfangs so viel Freude an seiner Beziehung hat, noch mit Distanz beim Glücklichsein zu. Schon bald jedoch spickt Ross die Liebes- und Ehegeschichte mit irritierenden Einzelheiten: dass David seit langem an einem Buch arbeitet, dessen Existenz er Alice verschweigt. Dass er, der doch einfach gehen könnte, als Alice sich ihm entzieht, den Tod seiner geliebten Frau fantasiert. Dass sie anfängt, an der Zweisamkeit mit ihrem Mann zu verzweifeln. Ohne das Thema Depression in den Vordergrund zu stellen, beschreibt Ross eindrucksvoll die zersetzende Kraft eines Schicksals, mit dem Alice nicht fertigwird.

Noch härter wird dieser Roman über das Kommen und Gehen von Liebe in festen Beziehungen durch die Geschichten der beiden anderen Protagonistinnen, von Hannah und Marilyn. Hannah in ihrem Bett macht ihren Mann zu einer Art Witwer aus innerer Abhängigkeit. Aber nicht nur: Ihr Mann Ward Hastroll empfindet zwar Schmerz durch Hannahs Rückzug aus dem gemeinsamen Leben – aber dann auch eine ganz neue Freiheit. „Falls ihm der Sinn danach stand, konnte er unter der Dusche oder mit heruntergeklappten Toilettensitz pinkeln, was oft vorkam. Er konnte die Spülmaschine laufen lassen, obwohl sich nur wenige Teller und Tassen darin befanden. Er brauchte die bunte nicht von der weißen Wäsche zu trennen... Was zum Teufel würde Hannah schon sagen? Sie würde im Bett liegen und sich nicht über Dinge aufregen, von denen sie nichts wusste. Aber Hastroll unternahm nichts. Er genoss ausschließlich seine Freiheit. Solange Hannah im Bett lag, war sie wie eine kranke Mutter oder Schwester, die den Platz seiner Frau eingenommen hatte.“

Kann man das so sehen? Faszinierend, wie Adam Ross den Leser auch bei dieser düster-skurrilen Beziehung zu der Frage führt, was man in Ward Hastrolls Lage machen würde. Hier muss man allerdings die beiden Schwächen dieses originellen, dichten Romans erwähnen. Die eine betrifft die Erzählperspektive auf die Beziehungen. Es ist ein vorzugsweise männlicher Blick. Bei allem Respekt und aller Liebe, mit denen die Frauen dieser Männer beschrieben werden: Was sie bewegt, wird weniger deutlich als das, was die Männer treibt. Das zweite Problem: Die Geschichten von Hannah, Ward und schließlich von Marilyn und Sam kann Adam Ross mit jener von Alice und David nur deshalb zusammen erzählen, weil er Ward und Sam als Polizisten und Ermittler im Todesfall Alice auftreten lässt. Der Kunstgriff funktioniert mit Blick auf Sam und Marilyn nicht wirklich.

Die Geschichte eines Paars, in der er sich alle Freiheiten nimmt und sie sich nur eine einzige (um sich zu befreien), hat Ross im Übrigen einem ungeklärten amerikanischen Kriminalfall aus den 50er-Jahren nachgebildet. Dessen Anbindung an die Gegenwart setzt, freundlich gesagt, beim Leser mitkonstruierendes Denken voraus. Dafür gelingt es Adam Ross insbesondere bei Marilyn sehr gut, ihren verständnisvollen Umgang mit der Liebe vor Augen zu führen.

Adam Ross

Mister Peanut.

Roman. Aus dem

Amerikanischen

von Eva Bonné.

Piper Verlag,

München 2011.

490 Seiten, 22,95 €

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