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Kultur: Lieber Jack

Oscar-Preisträger Adrien Brody kann auch anders: In „Love the Hard Way“ ist er ein Gauner mit Herz

Das brave Mädchen vom Lande und der raue Charmeur aus der Stadt. Die fleißige Elitestudentin und der street hustler aus dem Scherbenviertel. Völlig klar, dass sich die beiden verlieben. Wir sind doch im Kino. Moment, geht das wirklich?

Claire (Charlotte Ayanna) kommt immer als Letzte spätnachts aus der Columbia-Bibliothek. Noch beim Job im Kino büffelt sie ihre biologischen Formeln. Jack (Adrien Brody) ist im Heim aufgewachsen. Er macht Geschäfte als Schmalspurganove. 200 Frauen hat er angeblich gehabt. Lässiger Typ – aber weil hier ein bildungsbeflissener Regisseur am Werk war, darf der arme Kerl nicht einfach ein stupider Kleinkrimineller sein. Nein, unser lieber Jack liebt wertvolle Originalausgaben. Ezra Pound! Und Melville! Außerdem hat er sich ein Kabuff gemietet, in dem er seine Erfahrungen in Pulp-Poesie ergießt. So machen das romantische Helden – glaubt jedenfalls der Regisseur.

Der Hesse Peter Sehr („Kaspar Hauser“) hat sich mit deutschem Fördergeld in die große, weite Welt aufgemacht. Er hat einen Film in New York gedreht – und dabei das 19. Jahrhundert gefunden. Die Geschichte spielt zwar in der Gegenwart, aber seine romantischen Verwicklungen von Unordnung und frühem Leid, von Gefühlsirrungen und -wirrungen gehören in eine andere Zeit. Henry James hätte so eine Geschichte erzählen können. Vielleicht auch Charles Dickens.

Sehr setzt seinen Film in den Sand – dabei hat die Besetzung durchaus ihren Reiz. Polanskis „Pianist“ Adrien Brody spielt neben der reaktivierten Blaxploitation-Diva Pam Grier und dem jungen Burgtheater-Mimen und „23“-Hacker August Diehl. Eher fehlt es an einer entschiedenen Haltung zu diesem verstaubten Plot. Sehr hat seine Geschichte nirgends ironisch gebrochen. Andererseits traut er sich auch nicht, seine Gefühlsattacke voll in die Sentimentalität zu reiten.

Am Ende kommt es, wie es kommen muss, nämlich ziemlich hart für das Liebespaar. Aber leider nicht hart genug. Vielleicht hätte Peter Sehr die Zuschauerseelen in einen melodramatischen Schraubstock klemmen müssen, so wie einst, sagen wir, in „Love Story“. Tränenblind wohl hätte man diese Handlung aussitzen können. So aber sehen wir viel zu klar, dass Sehrs Film das gleiche Schicksal erfährt wie der Text, den der Protagonist Jack in seine Kladde kritzelt: Er wird zusehends zum Schundroman.

Kant, Kosmos, Kulturbrauerei, Rollberg, Cinestar Sony Center (OV)

Julian Hanich

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