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Kultur: Liebesfrühling, Eheherbst

KLASSIK

Natürlich ist das ein gesellschaftliches Ereignis: Die Salzburger Oster-„Cosi“ konzertant zu Gast in der Philharmonie, ein edel besetztes Schwesternpaar an der Spitze des Ensembles, Simon Rattle am Pult der Philharmoniker (noch einmal heute, bereits ausverkauft). Alle Ingredienzien des Abends deuten auf Genuss, Schwelgen, seliges Versinken hin. Dass es im längst ausverkauften Saal dann ganz anders kommt, ist das eigentliche Ereignis.

Zunächst leichte Irritationen: Das Mozart’sche Umschlagen von leidenschaftlicher Hitze in konsternierte Kühle, vom Liebesfrühling in den Eheherbst hat an der Gesundheit der Salzburger Besetzung genagt. Magdalena Kozená ereilte die Grippe. Für sie sprang, stimmlich vital, doch mit blassen Darstellerwangen, kurzfristig Stella Doufexis als Dorabella ein. In den Nebenhöhlen von Kurt Streit, als Ferrando ein wunderbar leichter und dennoch kerniger Mozart-Tenor, rumort es hörbar. Barbara Bonney quetscht sich mit artigem Bemühen in die ihr arg eng gewordene Kittelschürze des Zimmermädchens Despina. Rattles „Cosi fan tutte“-Cast blendet nicht, die Sänger glänzen kaum an diesem Abend, wenn da nicht Cecilia Bartoli wäre. Ihre Fiordiligi kennt keine Contenance, kein Kalkül. Sie ist - wunderbares Paradox - mit ihrer hochartifiziellen Gesangstechnik der einzige Mensch in diesem grausam berechnenden Spiel. Leicht entflammbar und zugleich bestürzt ob der heraufziehenden Feuersbrunst. Jedes noch so kleine Bartoli-Beben dringt direkt ans Ohr, hin zum Herzen, während ihre durchaus stimmgewaltigeren Kollegen immer wieder in den lichten Reihen der Philharmoniker hängen bleiben.

Mit seinem wunderbar schlanken Orchester führt Simon Rattle Mozarts perfide „Schule der Liebenden“ zu einem Triumph, der lange und verstörend nachklingt. Beeindruckend, wie unbeirrbar diese „Cosi“Klänge bei sich bleiben, sich nicht benutzen lassen zum Betrug und dennoch jede Hoffnung teilen. Fesselnd, wie frei die Kräfte zwischen den Philharmonikern walten können und dennoch zu einer unerschütterlichen Einheit finden. Dass unter der Perfektion Risse schlummern, Nerven bloß liegen – das kann man in dieser gänzlich unsentimentalen Interpretation in jedem Moment spüren. So macht Rattles Mozart glücklich, ohne ruhig zu stellen. Er vermittelt einen Eindruck davon, wie kostbar Freiheit ist – und wie schwer es ist, sie auszuhalten.

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