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Barenboim

© dpa

Lindenoper-Sanierung: Barenboim: "Das war unprofessionell"

Generalmusikdirektor Daniel Barenboim über die Entscheidung für den Paulick-Saal, Trostpflästerchen der Verantwortlichen und Akustik als Wettervorhersage.

Herr Barenboim, wie geht es Ihnen am Tag nach der Entscheidung?

Prächtig! Ich habe Ferien, die Sonne scheint, und ich lese gerade die aufregenden Tagebücher von Sergej Prokofjew.

Sie haben sich in der Staatsopern-Debatte unmissverständlich für den Entwurf von Klaus Roth ausgesprochen . . .

… ich habe mich erst geäußert, nachdem alle anderen ihre Meinung kundgetan hatten. Das ist in Berlin ja immer so: Alles wird öffentlich diskutiert, jeder, der nichts zu sagen hat, sagt garantiert etwas.

. . . nun aber ist die Entscheidung zugunsten des alten Paulick-Saals gefallen. Welche Trostpflästerchen haben Ihnen die Verantwortlichen gereicht?

Keine. Natürlich liegt mir das Haus am Herzen, aber ich bin auch Realist. Die Opposition gegen den Neubau von Klaus Roth, so sagte man mir, sei so stark gewesen, beim Bund wie in Berlin, dass kein Konsens zu erzielen gewesen wäre. Mich haben immer nur zwei Punkte besorgt gemacht: die Akustik und die Sichtverhältnisse. Beides muss ernst genommen werden, egal in welcher Variante.

Wird unter dem Motto „so viel Paulick wie möglich“ genug für die Akustik getan?

Pierre Boulez sagt immer, Akustik ist wie die Wettervorhersage: Man analysiert und prognostiziert – und dann kommt es doch ganz anders. Die Analyse aber muss stimmen, das Bemühen, es so gut zu machen wie irgend möglich. Und der Denkmalschutz darf nicht im engen Sinne ausgelegt werden.

Der Wettbewerb wird nun gänzlich unter den Tisch fallen. Eine Farce?

Ich finde es schade, dass die Ausschreibung nicht deutlich machen konnte, was man wollte. Die Politik hatte selbst offenbar keine Meinung. Sie hat sich von den geladenen Architekten etwas erarbeiten lassen, um unter dem Druck der öffentlichen und veröffentlichten Meinung zu sagen, das gefällt uns jetzt aber nicht. Diese Vorgehensweise ist unprofessionell. Und sie beschädigt nicht nur den Wettbewerbssieger Klaus Roth.

Haben Sie sich in Paulicks Pseudo-Rokoko-Flair in den vergangenen 16 Jahren eigentlich wohl gefühlt?

Ich kann nicht sagen, dass ich mich unwohl gefühlt hätte. Ich verstehe die Leute, die sagen, dass sie dieses Ambiente schätzen. Der historisch-ideologischen Debatte kann ich hingegen nicht folgen: Dass Richard Paulick nun der Gewährsmann dafür sein soll, der DDR posthum etwas Gutes zu tun, halte ich für absurd. Im Übrigen bin ich nie für ein ästhetisch neutrales oder kaltes Ambiente eingetreten. Das wäre Roths Entwurf ja auch in keiner Weise gewesen.

Welche Bedingungen stellen Sie jetzt, wo es ein neues Verfahren geben wird?

Dieselben wie vorher: Wir müssen die Decke anheben und das Klangvolumen erweitern, das ist eine conditio sine qua non. Und wir müssen alles tun, um die zeitlichen Abläufe einzuhalten. Eine Verlängerung der Umbauzeit wäre in jeder Beziehung schwer zu verkraften.

Für die großen Wagner- und Strauss- Opern war und ist die Lindenoper zu klein. Sollte man mit Blick auf die gesamte Berliner Opernlandschaft noch einmal über die verschiedenen Repertoires nachdenken?

Lassen Sie uns darüber einmal bei anderer Gelegenheit und in Ruhe sprechen.

Mit welchem Stück werden Sie die neue alte Staatsoper 2013 wieder eröffnen?

Sagen wir so: In jedem Fall wird das Werk nach vorne zeigen. Persönlich bin ich doch ein bisschen traurig, dass Berlin mit der Paulick-Entscheidung die historische Chance vertan hat, die Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden. Jetzt haben wir eine Lösung, für die es eine breite politische Unterstützung gibt. Immerhin.

Das Gespräch führte Christine Lemke-Matwey.

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