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Kultur: Linkerhand

Schuberts "Wanderer-Fantasie" stand auf dem Programm und Ravels eigenhändige Klaviertranskription von "La Valse".Aber nicht in einem dieser virtuosen Überwältigungswerke erreichte Vladimir Stoupels Klavierabend im großen Saal des Konzerthauses seinen Höhepunkt, sondern in den fünf knapp-konzentrierten Sätzen der 3.

Schuberts "Wanderer-Fantasie" stand auf dem Programm und Ravels eigenhändige Klaviertranskription von "La Valse".Aber nicht in einem dieser virtuosen Überwältigungswerke erreichte Vladimir Stoupels Klavierabend im großen Saal des Konzerthauses seinen Höhepunkt, sondern in den fünf knapp-konzentrierten Sätzen der 3.Suite von Erwin Schulhoff, nach deren Darbietung nicht nur der Beifall des aufmerksamen Publikums zum einzigen Mal wirklich lebhafte Dimensionen erreichte, sondern auch das Lächeln, mit dem der Pianist die Akklamationen entgegennahm, zum ersten Mal wirklich Freude auszudrücken schien.Schulhoffs Suite ist eines jener Werke, die nach dem 1.Weltkrieg von kriegsversehrten Pianisten in Auftrag gegeben wurden, eine Komposition nur für die linke Hand, in diesem Fall nicht die des Österreichers Wittgenstein, für den Ravel komponierte, sondern des Tschechen Otakar Hollmann.Bei all den technischen Herausforderungen an die Griffsicherheit und das klanglich differenzierte Spiel zwischen den Fingern der einen Hand (die Stoupel glänzend meisterte) überzeugen die allerdings etwas genreartig mal nach da und mal nach dort sich orientierenden Sätze vor allem durch ihre formale Stringenz und Pointiertheit.Und gerade hier, in der erzwungenen Reduktion des manuellen Potentials, fanden technische und musikalische Gestaltung am überzeugendsten zusammen.Soviel klanglich-rhythmische Plastik wie hier hätte man sich etwa auch für de Fallas "Vier spanische Stücke" gewünscht, die ziemlich verwaschen daherkamen, während in Ravels "La Valse" bis auf die einen Abgrund aufreißenden fahlen Bässe zum Schluß mehr oder weniger überpedalisiertes Klaviergedonner herrschte.Und Stoupels Schubert? Welch großartiger Schubert-Spieler Vladimir Stoupel sein kann, hat er in Berlin zuletzt bei seinem Solo-Abend während der Jüdischen Kulturtage bewiesen, seine Interpretation der "Wanderer-Fantasie", mit der er diesen Abend in eher forciertem Schwung eröffnete, konnte daran nicht anknüpfen.Dem verhuschten Anfang folgte nach einer wunderschön gefärbten Überleitung ein in der Melodieführung unausgeglichener und etwas manieriert gedehnter langsamer Teil, die Gegenwelt des Walzers besaß nichts Doppelbödiges, und im Schlußteil mit der deutlich abgebremsten Fuge führte Stoupels Spiel bei aller vollgriffigen Klangentfaltung doch irgendwie kraftlos zum Ende.

MARTIN WILKENING

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