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Kultur: Links mit Stil

Es gibt sie also doch noch: gut bezahlte Jobs, bei denen man sich nicht gerade überarbeitet, zum Beispiel Trommler bei Heaven 17. Denn den Großteil der Bass- und Drumsounds der Band hat Mastermind Martyn Ware in seinem Computer gespeichert.

Es gibt sie also doch noch: gut bezahlte Jobs, bei denen man sich nicht gerade überarbeitet, zum Beispiel Trommler bei Heaven 17. Denn den Großteil der Bass- und Drumsounds der Band hat Mastermind Martyn Ware in seinem Computer gespeichert. Heaven 17 bestehen heutzutage aus einem herkömmlichen Gitarre-Bass-Drum-Trio, das im Hintergrund der Bühne rumlungert, während sich vorne neben dem Bandgründer Ware die Ur-Stimme Glenn Gregory, beide gut im Futter stehend und mit extrem hohem Haaransatz, und die fantastische neue Sängerin Billie Godfrey abrackern. Ian Craig Marsh, das dritte Gründungsmitglied, verließ die Band vor zwei Jahren, weil er „den Spaß an der Sache verloren“ hatte.

Heaven 17 traten in den frühen achtziger Jahren vor allen den Beweis an, dass man links sein und trotzdem Stil haben konnte; dass man sich gegen den herzlosen Manchester-Kapitalismus von Margaret Thatcher engagieren konnte und trotzdem nicht, wie etwa Billy Bragg, Leibsänger der FDJ, in die Arme von unappetitlichen Diktaturen werfen musste. Undogmatisch, ironisch, klug: Zum elektrischen Dancepop des Trios aus Sheffield, das sich nach einer Band aus Anthony Burgess‘ Roman „Uhrwerk Orange“ benannt hat, konnte man gegen die bestehenden Verhältnisse eine Party organisieren. Aber so, wie Led Zeppelin eine deutliche Mitschuld an der späteren Heavy-Metal-Pest trugen, so waren Heaven 17 im weitesten Sinne verantwortlich für die Technoschlümpfe der neunziger Jahre.

Und so muss der Konzertgänger an diesem lauen Frühlingsabend erst einmal 40 Minuten uninspiriertes Midi-Gezirpe über sich ergehen lassen, bevor Heaven 17 die Bühne des Postbahnhofs betreten und ihr erstes Album „Penthouse And Pavement“ von 1981 live zur Aufführung bringen. Ein Grund für die jahrzehntelange Bühnenabstinenz der Band war angeblich, dass die komplizierten Arrangements von Ware und Marsh nicht live gespielt werden konnten. Glenn Gregory ist, obwohl sein Mikro immer leicht übersteuert ist, sichtlich gut gelaunt: „Warum sind wir nicht schon früher auf diese Idee gekommen?“, fragt er zwischen den Songs. Nun ist „Penthouse And Pavement“ zwar elegant und intelligent, hat aber keine erkennbaren Höhe- oder Tiefpunkte. Also verlässt in der Mitte des Konzertes Billie Godfrey die Bühne, „um die Schallplatte umzudrehen“, wie Glenn Gregory grinst. Lutz Göllner

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