zum Hauptinhalt

Literatur BETRIEB: Versuch über die Geschwindigkeit

Mit dem E-Book verhält es sich bisher noch wie mit dem Hörbuch vor ein paar Jahren. Erfolgsmeldungen über Erfolgsmeldungen, „rasant steigende Umsätze“, sich selbst erfüllende Prophezeiungen – und trotzdem lag der Anteil des E-Book-Umsatzes am Gesamtbuchmarkt im Jahr 2011 bei gerade einmal ein Prozent.

Mit dem E-Book verhält es sich bisher noch wie mit dem Hörbuch vor ein paar Jahren. Erfolgsmeldungen über Erfolgsmeldungen, „rasant steigende Umsätze“, sich selbst erfüllende Prophezeiungen – und trotzdem lag der Anteil des E-Book-Umsatzes am Gesamtbuchmarkt im Jahr 2011 bei gerade einmal ein Prozent. Anders als Hörbücher, die knapp über vier Prozent des Gesamtbuchmarktumsatzes ausmachen (Tendenz rückläufig, allerdings weil sie billiger geworden sind), scheint das E-Book jedoch das ultimative Buch für die Zukunft zu sein.

Auf 10 bis 15 Prozent soll der E-Book- Anteil in den nächsten Jahren schnellen. Buchhandel und Verlage stellen sich darauf immer stärker ein. Zum Beispiel mit sogenannten E-Book-Cards, die es jetzt in einigen Buchhandlungen gibt. Das sind Geschenkkarten, auf denen ein Code zum Herunterladen eines E-Books angebracht ist. Oder mit sogenannten Bundles, die Print- und Digitalausgabe eines Titels kombinieren. Für den Preis, den das analoge Buch kostet, gibt es die E-Book-Version mit dazu. Bei Rowohlt Berlin erscheint zum Beispiel im Herbst Sascha Lobos und Kathrin Passigs neues Buch als Bundle, „Internet - Segen oder Fluch“. Und der Verlag Haffmanns & Tolkemitt veröffentlicht allein schon 80 Prozent seiner Neuausgaben in dieser Kombination aus gedrucktem und digitalem Buch.

Fast schon die Regel ist es, dass Verlage die meisten ihrer Neuerscheinungen auch digital publizieren. „Auch als E-Book erhältlich“ steht dann in ihren Vorschauen. Was eigentlich nicht mehr nötig ist. Bei KiWi zum Beispiel erscheinen bis auf die Reden von Gabriel García Márquez und einem Kochbuch alle Titel als E-Book. Oder bei Suhrkamp, wo die meisten Titel ebenfalls „Auch als E-Book“-Buttons tragen. Bei Peter Handke mit seinem „Versuch über den stillen Ort“ und seinem Briefwechsel mit Siegfried Unseld fehlen die zwar. Auf Anfrage aber heißt es, die Handke-Titel würden selbstredend digital vorliegen und verkauft werden. Und nein, er plane weder einen Versuch über die Langsamkeit noch über die Geschwindigkeit.

Business as usual, könnte man das E-Book-Verlegen also nennen. Die Zukunft hat lange begonnen. Richtig interessant wird es jedoch, wenn E-Book-Ausgaben gewissermaßen nach vorn veröffentlicht werden. Wenn ein Verlag die digitale Geschwindigkeit nutzt, um aktuell zu reagieren. So wie es im Juli der Berliner Hanser-Ableger mit Jonathan Littells „Notizen aus Homs“ getan hat. Die Veröffentlichung des E-Books wurde aufgrund des immer heftiger werdenden Bürgerkriegs in Syrien um sieben Wochen vorgezogen. Und tatsächlich haben Littells Notizen aus Homs viel mehr dokumentarischen als literarischen Charakter. Zumal der in den USA geborene französische Schriftsteller (und Kriegsreporter!) schon Anfang des Jahres in Syrien war – und die Lage dort schlimmer und schlimmer geworden ist..

Die Printausgabe des Littell-Buchs dagegen kommt wie geplant Ende August heraus. Ob sie dann noch Käufer findet? Bei Hanser Berlin ist man sich sicher, dass der Printverkauf nicht beeinträchtigt werde, wie Verlagssprecher Thomas Rhode sagt. Was vermutlich auch daran liegt, dass der Verlag in diesem Fall keinen Bestseller erwartet. Und es nach dem Erfolg von „Die Wohlgesinnten“ eine Art Littell-Stammpublikum gibt. Die Startauflage der analogen „Notizen aus Homs“ liege im „sehr guten vierstelligen Bereich“, so Rhode, also schätzungsweise bei 7000 bis 9000 Exemplaren. Zahlen über den bisherigen E-Book-Absatz konnte er noch nicht nennen. Ob diese bei über ein Prozent der Printauflage liegen? Oder um einiges höher?

Nachvollziehbar ist dieser Schritt von Hanser Berlin allemal. Man kann sich gut vorstellen, dass gerade bei Sachbüchern die digitale Version immer wichtiger wird, dass es in diesem Bereich demnächst häufiger vorgezogene Veröffentlichungen gibt. Denn viele Sachbücher haben nur eine kurze Halbwertszeit. Das gilt zwar häufig auch für belletristische Titel. Auf die Geschwindigkeit des neuen Mediums sind diese aber nicht angewiesen. Und den neuen Handke-Versuch liest man sowieso lieber auf Papier. Da braucht es einfach Geduld und Spucke.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false