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Das Publikum ist viel komplizierter, als man denkt. Georg Ringsgwandl.

© Kerstin Groh

Literatur: Georg Ringsgwandl: "I bin a stinkfauler Hund"

Unsicherheit als Motor: Musiker und Autor Georg Ringsgwandl über weiße Kittel, grölende Massen und Untersendling. In Berlin stellt er bei den Wühlmäusen sein neues Buch "Das Leben und Schlimmmeres - Hilfreiche Geschichten" vor.

Herr Ringsgwandl, Sie haben lange als Arzt praktiziert. Sie waren Oberarzt und Kardiologe in Garmisch. Vor 18 Jahren haben Sie den Beruf zugunsten der Kunst aufgegeben. Eine schwere Entscheidung?

Das ist eine fundamentale Entscheidung. Da stellt man eine Weiche, und fährt dann in eine komplett andere Richtung. In die entgegengesetzte Richtung.

Gab es später mal Momente des Zweifels: ob es die richtige Entscheidung war?

Ab und zu mal. Wenn mir in der Musik der Wind richtig ins Gesicht geblasen hat. So was passiert manchmal. Das ist ja ein Geschäft ohne Sicherheiten. Es ist abhängig von Moden. Eine Achterbahn. Und wenn man mal eine schwierige Phase hat, dann denkt man sich: Mensch, jetzt wär’s schön, wenn du eine Stelle im öffentlichen Dienst hättest, wo du jeden Tag um acht Uhr deinen weißen Mantel anziehst, reingehst, anerkannt bist, und dein Geld kriegst jeden Monat. Aber das waren ein paar wenige Augenblicke. Für mich ist es ganz gut, wenn ich keine Sicherheiten hab.

Inwiefern?

Weil ich an sich eine stinkfaule Sau bin, i bin a stinkfauler Hund. Wenn es mir abgesichert gut geht, dann neige ich zu schneller Degeneration. Und bei dem, was ich jetzt mache, bin ich gezwungen zu einer ganz frischen und lebendigen Lebensart. Ich kann’s mir nicht leisten, dass ich mir einen Bauch anfresse und zum Rotweinkenner werd’ und in einen Golfclub geh’. Das kann ich mir Gott sei Dank nicht leisten, was meine ganzen Kollegen, meine Altersgenossen jetzt machen. Das ist mir Gott sei Dank verwehrt. Da bin i ganz froh.

Wo leben Sie eigentlich jetzt? In München?

Ich hab eine Bleibe am Land draußn, südlich von München. Und in München hab ich eine Wohnung ... in Untersendling.

So heißt auch Ihre letzte Platte: „Untersendling“.

Ja, und die Songs da drauf handeln von Geschichten aus Untersendling, von den vielen unterschiedlichen Menschen aus dem Viertel dort. Wo die Mehrheit aus Minderheiten besteht: türkische Bäckerei, kasachischer Hühnergrill, bulgarischer Obsthändler, russische Wäscherei, Beamte, Hartz-IV-Empfänger, Versicherungsvertreter ... Und da ist auch meine Wohnung, mein Arbeitszentrum.

Machen Sie sich Gedanken über Ihr Publikum? Wie Ihre Sachen ankommen?

Ich hoffe natürlich, dass es ankommt, was ich schreibe. Aber ich schreibe die Sachen so, wie ich sie mir vorstelle. Ich schreibe das, was ich für wichtig halte, was ich interessant finde. Aber ich überlege mir nicht: Was kommt zur Zeit an?

Könnte so was überhaupt funktionieren?

Beim Musikantenstadl funktioniert’s ganz gut. Es funktioniert auch in der Rockmusik oder im Hip-Hop. Und es gibt Kabarett-Programme, die genau so funktionieren. Also man weiß: das Kabarett-Publikum ist ein bisschen links, so ein bisschen kritisch angehaucht. Man muss also gegen Ausländerfeindlichkeit sein, gegen Umweltverschmutzung und so weiter. Und es kommt immer gut an, wenn man über Typen wie den Stoiber, den Guttenberg oder den Wulff lacht. Das ist ja auch eine kommerzielle Überlegung. Das tue ich nicht.

Was tun Sie?

Ich beschäftige mich ja nicht mit irgendwelchen privaten, uninteressanten Geschichten, sondern ich beschäftige mich mit unserer Welt. Und wenn ich etwas auf eine bestimmte Weise sehe, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass das andere Leute auch so sehen können. Ich freu’ mich natürlich, wenn ich merke, dass ein Song ankommt. Oft bin ich mir unsicher und frage mich: Ist das nicht zu verschroben, was du da hast? Aber wenn man anfängt, etwas zu schreiben mit Blick auf möglichst guten Verkauf hin, dann wird’s immer grausam. Dann wird’s billig oder kommerziell oder kitschig oder unglaubwürdig. Und das riecht man auch.

Kennen Sie auch das Gefühl, missverstanden zu werden? Bei Helge Schneider kann man manchmal beobachten, dass er etwas sagt, was ihm wirklich ernst ist. Aber sein Publikum brüllt vor Lachen.

So was passiert mir selten. Umberto Eco hat mal gesagt, dass sich jedes Buch seine Leserschaft sucht. Und es ist ja so, dass sich jeder Bühnenkünstler sein Publikum sucht und findet. Wenn man also Blasmusik mit ordinären Texten macht, dann hat man halt lauter Alkoholiker im Bierzelt sitzen, die grölen. Und so ist jeder für sein Publikum verantwortlich. Und (lacht) beim Helge ist es genauso. Der ist eine bestimmte Figur. Und das sind die Geister, die wir rufen, wie der Goethe schon gesagt hat. Wenn der einen Hit hat wie „Katzeklo“, dann zieht das halt eine bestimmte Klientel an, die ihm dann in manchen Fällen missfällt. Aber das ist auch ein Teil von ihm. Bei mir ist es auch oft so: dass Leute auf mich zukommen, die erwarten, dass ich in eine bestimmte Richtung gehe.

Angefangen haben Sie als Bub mit der Waldzither. Dann Posaune in der Dixie- Band. In den 60er Jahren Beat-Musik. Damals hatten Sie das Problem, dass Posaune und Beatmusik nicht so richtig zusammengingen ...

Ja, da bin i rausgschmissn worn. Eine einzelne Posaune in einer Beat-Band war natürlich absolut unmöglich. In den Siebzigern, als dann die Madness aufkamen, die ganzen Ska-Bands, da war es dann natürlich schon wieder anders, aber in den Sechzigern war das komplett uncool.

Wie hat das eigentlich angefangen bei Ihnen mit dieser schrillen Optik: geschminktes Gesicht, Frauenperücke, der Damenbadeanzug, die Nylonstrumpfhosen?

In den späten 70er Jahren gab es gerade in Süddeutschland einen Boom der Kleinkunst. Kabarett und Kleinkunst. Überall hat’s Kleinkunstveranstaltungen gegeben. Da sind dann die ganzen alten Folk- Knechte und so links ausgerüstete Liedermacher unterwegs gewesen. Das ist dann allmählich alles in Biederkeit erstickt. Das hat eine Enge gehabt, die mir absolut zuwider gewesen ist. Und zudem war es auch so, dass ich damals absolut nicht akzeptiert war. Ich hab am Anfang ja wirklich verzweifelt versucht, Auftritte zu kriegen, und hab’ einfach keine Chance gehabt.

War das schon in dieser Aufmachung?

Nein, da war ich noch ein ganz normaler Typ und hab gefragt, ob ich mitspielen darf. Und die haben gesagt: nö nö ... Diese ganze Szene, die mir verschlossen gewesen ist, ist mir muffig und verhärtet vorgekommen. Zumal in der Pop-Musik damals schon der Punk angefangen hatte. Damals dachte ich, dass das die Bewegung war, wo es hingehen müsste. Und dass diese Erzählweise von Biederkeit und netter Witzelei einfach vorbei ist. Und ich hab mir gedacht, das ist die einzige Chance: entweder gehst du unter oder du haust einfach so drauf, dass wirklich die Funken fliegen. Die Initialzündung war Jango Edwards. Der hat das einfach alles gemacht. Der ist einfach auf die Bühne gegangen und hat den ganzen Scheiß, den ich im Kopf hatte, mich aber nie getraut habe, einfach schon gmacht. Das hat mir enorm geholfen.

Würden Sie sich selber eher als Kabarettisten bezeichnen? Oder als Musiker? Oder eine Mischung aus beiden?

Nein, ich bin Musiker. An sich bin ich ein klassischer Songschreiber, Liedermacher. Na ja, und darüber hinaus hab ich auch noch eine gewisse Unterhaltungsfähigkeit ...

Was glauben Sie, welche Platten der Ringsgwandl-Fan sonst so im Schrank hat?

Das möchte ich gar nicht wissen! Früher hab ich mir immer gedacht, dass der Ringsgwandl-Fan meine Platten und ein paar wirklich coole andere Platten hat. Aber inzwischen hab ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Publikum viel komplizierter ist, als wir alle glauben. Es gibt Leute, die haben im Plattenschrank Paul Simon, Talking Heads, Peter Maffay, Ringsgwandl und die Zillertaler Schürzenjäger. So was gibt’s einfach. Die ganzen Kommunikationstheoretiker sagen: Das gibt’s nicht. Und die Marketing-Experten sagen: Das ist vollkommen unmöglich. Aber es gibt Leute, die hören gleichzeitig Böhse Onkelz, Marianne Rosenberg und Gerhard Polt. Das Publikum ist wesentlich komplexer, als wir glauben. Gott sei Dank.

Das Gespräch führte H. P. Daniels.

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