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Kultur: Literatur: Haffners Haltung

Binnen einer Woche sieht man Sebastian Haffner, der sich aus bekannten Gründen nicht mehr selbst verteidigen kann, einem zweiten Angriff aus der deutschen Professorenschaft ausgesetzt. Nach den sprachkritischen Überlegungen von Jürgen Paul aus Dresden ist auch der Historiker an der Berliner Freien Universität, Henning Köhler, mit Fälschungsvorwürfen gegen Haffners posthum veröffentlichtes Buch "Geschichte eines Deutschen" an die Öffentlichkeit getreten.

Binnen einer Woche sieht man Sebastian Haffner, der sich aus bekannten Gründen nicht mehr selbst verteidigen kann, einem zweiten Angriff aus der deutschen Professorenschaft ausgesetzt. Nach den sprachkritischen Überlegungen von Jürgen Paul aus Dresden ist auch der Historiker an der Berliner Freien Universität, Henning Köhler, mit Fälschungsvorwürfen gegen Haffners posthum veröffentlichtes Buch "Geschichte eines Deutschen" an die Öffentlichkeit getreten. Haffner, so schreibt er in der "FAZ" allen Ernstes, habe uns "bewusst" in die Irre geführt und die "Geschichte eines Deutschen" "in den letzten Jahren seines Lebens als posthumes Werk, als Überarbeitung und Ausweitung des ursprünglichen Textes konzipiert". Dies ist ein Vorwurf, der auf die intellektuelle Redlichkeit Haffners zielt. Köhler geht noch weiter: "Wahrscheinlich war es sein Wille, dass das Manuskript erst nach seinem Tod entdeckt und publiziert wurde. Dessen Auffinden, am besten im Geheimfach seines Schreibtisches, so womöglich sein Kalkül, konnte das Interesse daran und den Absatz nur fördern."

Ein abstruser Gedanke, für den Köhler jeden Beweis schuldig bleibt. Argumentativ ist auch nicht viel dran. Der junge Haffner mit schriftstellerischen Ambitionen hatte, soviel steht fest, 1939 die Idee, mit einer politischen Autobiographie in England Leser zu finden. Die handelnden Figuren sind nicht erfunden, so gibt es eine teilweise erhalten gebliebene Korrespondenz mit seiner Freundin Teddy. Was er in der "Geschichte eines Deutschen" noch literarisch verpackte, ist dann in "Germany: Jekyll & Hyde", seinem ersten Sachbuch, nur wenige Monate später gedruckt worden und spiegelt den gleichen Kenntnisstand, wie ihn Haffner nach Meinung Köhlers nicht gehabt haben kann. Haffner könne, um nur ein Beispiel zu nennen, über die deutsche Revolution nicht schon 1939 gewusst haben, was er eigentlich erst 1969 wissen konnte, doziert Köhler. Aber der Vorwurf, dass die SPD die Friedensrevolution von 1918 verraten haben könnte, ist so alt wie die umstrittenen Vorgänge selbst: "Wer hat uns verraten ...?", hieß damals die Parole. Nicht immer richtet sich die Geschichte der Deutschen nach den Vorstellungen eines deutschen Professors.

Zu Haffners Lebzeiten war an das Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin, jenem Institut, an dem auch Professor Köhler Neuere Geschichte lehrt, herangetragen worden, Haffner die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Dem Vernehmen nach scheiterte die Sache daran, dass man Haffner das Recht abstritt, überhaupt als Historiker zu gelten. In einem Seminar über mittelalterliche Geschichte habe man ihn auch nicht gesehen. Daraus wurde also nichts. Woraus aber etwas wurde, war eine Ehrenprofessur Haffners, die ihm der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, jedoch nicht die Freie Universität, Mitte Januar 1988 verlieh. "Es hätte dem Senat gut angestanden, Haffner zum Geburtstag den Professor ehrenhalber anzutragen", hatte zwei Wochen zuvor damals im Tagesspiegel gestanden.

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