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Literatur: Venus und die kleinen Satyrn

Kleine Nachlese zu Sandro Botticelli

Die Botticelli-Ausstellung im Frankfurter Städel hat den Ruhm des Malers aufs Neue befestigt. Wo außerhalb der Florentiner Uffizien waren je so viele Werke Botticellis zu sehen? Zur Abrundung schickt nun der Wagenbach Verlag gleich zwei Büchlein zum Leben des Künstlers hinterher: zum einen den entsprechenden Band einer seit knapp sechs Jahren publizierten Reihe mit den Künstlerviten des Giorgio Vasari (1511– 1574), die zu den ehrgeizigsten Projekten des Verlags gehört; zum anderen eines der in rohem Leinen leuchtenden „Salto“-Bändchen von Damian Dombrowski, der zugleich die Einleitung zu Vasaris Lebensbeschreibung verfasst hat.

Man kann also beide Veröffentlichungen parallel lesen – und man sollte es auch tun. Denn Vasaris Schilderung ist bekanntermaßen eine Geschichtsklitterung. Dass Botticelli (um 1444– 1510) nicht unter dem Einfluss des – 1498 als Häretiker hingerichteten – Bußpredigers Savonarola zum religiösen Eiferer wurde oder gar „vor Hunger fast gestorben wäre“, wie Vasari behauptet, ist der Forschung seit langem bekannt. Aber es ist schön, solche zählebigen Vorurteile lustvoll demontiert zu finden.

Dabei schmückt Vasari sein Urteil wortreich aus: So habe er ein „großzügiges“ Honorar des Papstes „augenblicklich verschleudert, weil er einfach so in den Tag hinein lebte, wie es seine Art war“, wie es in der sehr lesbaren Neuübersetzung von Victoria Lorini heißt.

Der Würzburger Kunsthistoriker Dombrowski rückt das durch Botticellis aus heutiger Sicht ätherische Frauengestalten beförderte Bild des Feinmalers zurecht und kehrt dessen damaligen Ruf als rationaler und männlicher Geist heraus, beispielhaft an dessen Allegorie der „Stärke“ von 1470. Wohl aber vollzieht Botticelli die von den Medici beförderte Wende zum Neuplatonismus und zu dem von ihm propagierten kontemplativen Leben mit.

Dass der Florentiner Maler durchaus eine andere, bodenständigere Seite hatte, betont Dombrowski durchweg: den derben Witz – den freilich bereits Vasari hervorhebt – und die Direktheit auch in vermeintlich tief philosophischen Gemälden. So zeigt der Autor, dass das berühmte Londoner Bild „Venus und Mars“ schlichtweg ein Erotikon ist, eine Anspielung auf mangelnde männliche Lust und die gesteigerte weibliche Erwartung. Die lässt Venus mit Freude auf die frechen kleinen Satyrn blicken, die den eingeschlummerten Kriegsgott piesacken.

Vasaris Vita umfasst in der Neuausgabe nur 16 Druckseiten, wird aber von zahlreichen Farbabbildungen und den Darstellungen zu Filippino Lippi, Cosimo Rosselli und Alesso Baldovinetti begleitet; auch Dombrowskis Brevier ist entlang von Bilddeutungen aufgebaut – insgesamt 18 an der Zahl.

Giorgio Vasari: Das Leben des Sandro Botticelli. 202 S., 14,90 €. – Damian Dombrowski: Botticelli. Ein Florentiner Maler über Gott, die Welt und sich selbst. 141 S., 15,90 €. Beide im Verlag Wagenbach, Berlin 2010.

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