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Aktenlage: Schriftsteller Wellershoff war NSDAP-Mitglied

Die Dokumente sind eindeutig: Der Kölner Schriftsteller Dieter Wellershoff wurde, wie das "Zeit-Magazin" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, von der NSDAP als Mitglied geführt.

Die Mitgliederkartei des Bundesarchivs listet den 83-jährigen Autor unter der Nummer 10.172.531. Ein unterschriebener Aufnahmeantrag liegt indes nicht vor. Der Beitrag des Magazins ist als großes Gespräch angelegt, in dem Wellershoff, der sich immer offen über seine Wehrmachtszeit geäußert hat, den auch für ihn erschreckenden Umstand der Parteimitgliedschaft zu ergründen versucht.

Wellershoff erklärt, dass er sich nicht erinnern könne, einen Mitgliedsantrag unterschrieben zu haben: „Ich hätte ja verrückt sein müssen, am Ende des Krieges einzutreten.“ Aber er sagt auch: „Ob ich in der Partei war oder nicht, hat keinen Einfluss darauf, dass ich mich grundsätzlich betroffen fühle, dass so etwas passiert ist und ich dabei gewesen bin. Das ist etwas, das man in seiner Dimension gar nicht wegschieben und verkleinern kann – der Krieg und die Vernichtungslager, das Zerbomben der Städte.“

Auch Schriftsteller wie Martin Walser, Dieter Hildebrandt und Siegfried Lenz, der Komponist Hans Werner Henze, die Germanisten Walter Höllerer, Peter Wapnewski und Walter Jens waren nach Lage der Akten Mitglied der NSDAP. Diskutiert wird bei diesen intellektuellen Gründergestalten der Bundesrepublik, ob sie möglicherweise ohne eigenes Wissen, insbesondere die eigene Unterschrift, aufgenommen wurden. Die Mehrheit der Historiker geht davon aus, dass dies nicht möglich war – Forscher wie Norbert Frei halten aber auch das Gegenteil für denkbar. Der Mitgliedskarte zufolge wurde die Aufnahme von Wellershoff am 20. April 1944 beantragt und erfolgte rückwirkend zum 20. April 1943. Wellershoffs Name findet sich auf einer Liste von 368 NSDAP-Aufnahmeanträgen, die am 28. Oktober 1944 von der Gauleitung Düsseldorf bei der Reichsleitung in München eingereicht wurden.

Wellershoff, 1925 als Sohn eines Nazi-Mitläufers in Neuss geboren, wurde 1943 eingezogen und erlebte das Kriegsende als Wehrmachtssoldat in der Division Hermann Göring. Als Erzähler und Essayist hat er über den Zweiten Weltkrieg und seine Schrecken mehrfach aus persönlicher Sicht geschrieben. Der produktive, vielfach ausgezeichnete Wellershoff, der sich erst mit dem Roman „Der Liebeswunsch“ (2000) auch beim breiten Publikum einen Namen gemacht hat, gehört nicht nur als Autor, sondern auch als Herausgeber der ersten Gottfried-BennGesamtausgabe und als Mentor der sogenannten „Kölner Schule“ um Rolf Dieter Brinkmann, Günter Herburger und Nicolas Born in den sechziger Jahren zu den angesehensten literarischen Figuren der Bundesrepublik. (dotz)

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