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''Anders gesagt'': Das Reine ist das Unreine

Peter Utz geht dem Problem des Übersetzens nach. Er stößt dabei nicht die pragmatisch vernünftige Hierarchie von Original und Übersetzung um, aber er dringt in die Lücke vor, die jeder Text zwischen Wortlaut und Verstehen lässt.

Von Gregor Dotzauer

Das Gleiche anders sagen. Was tun Übersetzungen zwischen Sprachen eigentlich sonst, könnte man dem Lausanner Literaturwissenschaftler Peter Utz arglos beipflichten – wenn diese Formulierung nicht schon die ganze Tücke des Problems enthalten würde. Denn ist das Gleiche nicht längst ein Anderes, sobald es – eben verwandelt – wieder zum Vorschein kommt? Und selbst wenn es nur etwas Ähnliches wäre, worin bestünde das Kriterium dieser Ähnlichkeit?

Utz rührt mit seinen englischen und französischen Übersetzungslektüren von E.T.A. Hoffmann, Fontane, Kafka und besonders Robert Musil ans dialektische Herz aller Fragen zu Identität und Differenz – und das mit einer raffiniert spitzfindigen Eleganz, die Sprachvertrauen und Sprachskepsis auch nur als zwei Seiten derselben Sache ausweist. Utz stößt dabei nicht die pragmatisch vernünftige Hierarchie von Original und Übersetzung um, aber er dringt in die Lücke vor, die jeder Text zwischen Wortlaut und Verstehen lässt. Es gibt, so zeigt er, schon in einer gegebenen Sprache kein reines, den Sinngehalt eines Texts vollständig ausschöpfendes Lesen, sondern zwangsläufig immer nur Interpretationen.

Es beginnt mit einem „verbalen Urknall“: der scheinbar harmlosen Formel „Mit einem Wort“, mit der Musil im ersten Absatz des „Manns ohne Eigenschaften“ vom ausladenden metereologisch-astronomischen Fachgesimpel zu dem braven Satz überleitet: „Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913.“ Welchen logischen Bruch er dabei begeht und wie diesen Bruch etwa sein Übersetzer Philippe Jacottet herunterspielt, indem er ein „Autrement dit“ daraus macht – das gehört zu den folgenreichen Beobachtungen, die Utz anstellt. „Anders gesagt“ ist überdies glänzend geschrieben – mit jenem Gespür für die Schattierungen des einzelnen Wortes, das die Voraussetzung war, dieses Buch zu dem intellektuellen Vergnügen zu machen, das es ist. Gregor Dotzauer

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