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© dpa

Auszeichnung: Kochen, schreiben, feiern

Der Deutsche Buchpreis 2007 für den besten aktuellen Roman in deutscher Sprache geht in diesem Jahr an die Schriftstellerin Julia Franck. Die 37-Jährige erhält den Preis für ihr Werk "Die Mittagsfrau".

Sie sagt, sie sei „überrascht“, und tatsächlich steht sie ein wenig verloren, zittrig und den Tränen nah vorn auf der Bühne des Kaisersaals des Frankfurter Römer. Gerade hat Julia Franck erfahren, dass sie für ihren Roman „Die Mittagsfrau“ den Deutschen Buchpreis 2007 erhält, und da gehört diese Regung natürlich genauso zur Dankesredenfolklore wie ihr Hinweis, die anderen fünf Bücher auf der Shortlist seien auch toll und hätten den Preis nicht weniger verdient. Man wünscht sich in diesem Moment ganz kurz einmal einen Preisträger, der sagt, nur er oder sie und niemand anders habe diesen Preis verdient, einen fiesen, von sich selbst überzeugten, egoistisch vor sich hinjubelnden. Oder einen, der zumindest diesen netten, nicht selten doch nur so hingeheuchelten Verweis auf die Konkurrenten einfach unterlässt – so nett sind doch untereinander alle gar nicht. Immer dieses Kuscheln all der Schulzes, Hackers und Co.! J

Franck jedoch glaubt man ihre Überraschung in vollem Effekt. Sie erwähnt nämlich noch, dass es sie ebenfalls überracht hätte, „an manchen Tagen hat es mich sogar erschlagen“, wieviel Streit und wieviel Lust am Streiten es in den Feuilletons um diese Shortlist und damit die deutschsprachige Literatur gegeben habe, und ihr Roman „Die Mittagsfrau“ stand da durchaus mit zur Debatte.

Tatsächlich ist „Die Mitaggsfrau“ nicht das Gelbe vom Ei der deutschprachigen Literatur – ein Michael Köhlmeier oder eine Katja-Lange Müller wärem mit ihren Romanen „Abendland“ und „Böse Schafe“ bei weitem die verdienteren Preisträger gewesen. Vor allem ihr Umgang mit den jeweiligen Stoffen ist um Klassen souveräner, stilistisch sicherer. Wenn Julia Franck in ihrem Familienroman, der vor allem ein Frauenporträt in der Zeit vor, zwischen und nach den beiden Weltkriegen ist, versucht, Zeitkolorit einzufangen, wird es statisch und schlimm. Es wimmelt dann nur so vor Zeitungsjungen im Berliner der zwanziger Jahre, und da kippt ihre von der Jury so gelobte „erzählerische Intensität“ insbesondere in den Dialogen genauso ins Prätenziöse wie sie sich im Ungefähren, mitunter Kitschigen verliert.

Der Deutsche Buchpreis für Franck ist einmal mehr eine typische Jury-Entscheidung. Ein Buch mit hoher Zielgruppenkompatibilität. Ein Buch, das bei allen Schwächen, bei allem eigenartigen Vorsichhindämmern, das immer wieder die Frage auffwirft, warum Franck uns das eigentlich alles erzählt, sein Publikum finden wird und schon gefunden hat: Letzte Woche stand „Die Mittagsfrau“ auf Platz 17 der „Spiegel“-Bestsellerliste. Eine Mutter, die ihren halbwüchsigen Sohn am Ende des Zweiten Weltkriegs auf einem Bahnhof allein stehen lässt und nicht wieder sehen will, da wollen viele wissen, wie es dazu kommt. Traurige Frauenschicksale supreme, aber sicher kein „Roman für lange Gespräche“, wie die Jury sagt.

Dass die Begeisterung im Frankfurter Römer sich in Grenzen hält, merkt man, als Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder die Entscheidung verkündet. Das kann an den selbstsüchtigen Interessen vieler Verlagsmitarbeiter liegen, doch sind andererseits zu viele Literaturmenschen anwesend, die keinen Kandidaten im Rennen haben. Vielleicht liegt der eher müde Applaus aber auch an der vorhergehenden Inszenierung. Denn der Deutsche Buchpreis mag auf dem besten Weg zu einer Institution sein, wie Hanser-Verleger Michael Krüger vorher in einem Interview sagte (bei drei Kandidaten auf der Shortlist kein Wunder). Er mag sein großes Publikum gefunden haben und zurecht die Werbetrommel für die deutschpra chige Literatur rühren - die vierzig Minuten bis zur Verkündung haben zähen Mitteilungscharakter. Ein Auditorium aber, das sowieso alles über die Bücher weiß, wird dabei nicht gerade animiert.

Da ist man dann schon dankbar, wenn Katja Lange-Müller in der Fernsehfilmcheneinspielung in ihrer Wohnung sitzt und beim Grüne-Erbsenabknipsen hübsche Essen-Schreiben-Vergleiche von sich gibt: „Kochen und Schreiben haben viel miteinander zu tun. Der Aufwand dafür ist enorm groß, gegessen und gelesen aber wird viel zu schnell“.

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