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Baskenland: Terroristen, Nationalisten

Europas letzter bewaffneter Konflikt: Ingo Niebel hat ein interessantes Buch über die Geschichte des Baskenlandes geschrieben.

Seit 50 Jahren kämpft sie gegen den spanischen Staat, mehr als 800 Menschen hat sie auf dem Gewissen, tausende ihrer Anhänger saßen oder sitzen in spanischen Hochsicherheitsgefängnissen. Euskadi Ta Askatasuna (Eta) - baskisch für „Baskenland und Freiheit“ - ist die älteste noch aktive Untergrundtruppe Europas. Sie hat die deutsche RAF, die irische IRA und die italienischen Roten Brigaden überlebt. Dennoch ist wenig über den baskischen Konflikt bekannt.

Das möchte Ingo Niebel, ein regelmäßig auch im Baskenland lebender Historiker aus Köln, ändern. Kurz vor dem 50. Jahrestag der Eta-Gründung erschien nun im kleinen, linken Wiener Promedia Verlag sein Buch „Das Baskenland“: Im Kampf gegen die Franco-Diktatur hatten sich im Juli 1959 baskische Studenten zur Eta zusammenschlossen, bei einer Versammlung in einem südfranzösischen Kloster 1962 einigten sie sich auf einen linksnationalistischen Kurs, der die Basken in die Unabhängigkeit führen sollte. Radikalisiert wurden die Eta-Gründer durch das baskische Establishment, das sich mit Franco arrangiert hatte.

Anders als konservative Nationalisten wollte sich die junge Untergrundtruppe nie mit dem Staat aussöhnen. Und anders als etwa die IRA hat sich die Eta bis heute von keiner Madrider Regierung entwaffnen lassen. Erst vor wenigen Wochen wurden in Südfrankreich dutzende Pistolen und 180 Kilogramm Sprengstoff sichergestellt; am Freitag ermordete ein Eta-Kommando einen spanischen Polizisten mit einer Autobombe. Auch zu fünf weiteren Anschlägen im Frühjahr bekannte sich die Eta. Die Organisation sei nach Jahren des Kampfes zwar geschwächt, sagte Spaniens Innenminister Alfredo Rubalcaba, aber immer noch in der Lage zu töten. Spanische Politiker betrachten die Lage im Baskenland als permanenten Ausnahmezustand.

„Euskal Herria“, das Land der Basken, wie die baskischen Provinzen in den nordspanischen Pyrenäen auf baskisch heißen, weist deshalb die „höchste Polizeidichte in Europa“ auf – Autor Niebel sieht das kritisch. Im Baskenland kommen auf tausend Einwohner neun Polizisten, in Deutschland sind es drei, in Zentralspanien vier. Niebel verschweigt nicht, dass er mit der baskischen Unabhängigkeitsbewegung sympathisiert. Seine Position legt er seinen Lesern in einem eigenen Kapitel dar: „Ich werde die Problematik vom baskischen Blickwinkel aus beschreiben.“ Das bedeutet nicht, dass sich Niebel mit der Eta gemein macht, genauso wie die meisten Basken linksnationale Positionen vertreten, ohne die Eta zu unterstützen.

Die Nähe zu den Basken verschafft dem Autor einen Informationsvorteil: Die meisten deutschen Bücher zum Thema greifen auf offizielle spanische Quellen zurück, Niebel hingegen wertet baskisches Material aus. Die Eta, das wird deutlich, wäre viel unpopulärer, wenn Spanien gleiches Recht für alle gelten lassen würde. Baskische Gefangene sitzen viel häufiger in Isolationshaft als spanische Verurteilte. Und da Eta-Häftlinge auf Gefängnisse in ganz Spanien verteilt sind, finden im Baskenland immer wieder Demonstrationen gegen diese Zerstreuung statt, die eine bei anderen Gefangenen übliche ortsnahe Unterbringung verhindert.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International untersuchen außerdem regelmäßig Vorwürfe, wonach baskische Gefangene von Angehörigen der Guardia Civil misshandelt würden. So verwundert kaum, das nicht nur die Eta, sondern auch die moderate Linke die 3000 im Baskenland kasernierten Beamten der Elitetruppe Guardia Civil als „Besatzungstruppen“ bezeichnet.

„Das Baskenland“ ist kein Buch nur über die Eta. Es beschreibt detailliert und chronologisch die Geschichte des gesamten Konflikts und die Struktur der baskischen Gesellschaft, einschließlich ihrer immer wieder totgesagten und dennoch aktiven Terrorgruppe.

– Ingo Niebel: Das Baskenland – Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts, Promedia Verlag, Wien 2009, 240 Seiten, 17,90 Euro.

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