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Biographie: "Der Rote Baron"

Joachim Castans Biografie des deutschen Jagdfliegers Manfred von Richthofen "Der rote Baron. Die ganze Geschichte des Manfred von Richthofen" eröffnet das mediale Trommelfeuer zum 90. Todestag des sagenumwobenen Kriegshelden.

"Ich beschoss das aufbäumende Flugzeug aus 50 m Entfernung noch mit einigen Schüssen, bis die Flammen aus dem Apparat schlugen und der Gegner brennend abstürzte.“

Eine feindliche Maschine, die im Feuerball verschwindet – das war für Manfred von Richthofen, den Roten Baron, der größte Triumph. Im Luftkampf auf diese Weise zu siegen, wurde geradezu zur Manie, die sich auch auf die von ihm befehligten Piloten übertrug. Selbst kampferprobte Jagdflieger wie Ernst Udet, aus dem einmal "des Teufels General“ werden sollte, bekannten später, sich fast geschämt zu haben, wenn sie ihrem Geschwaderkommandeur einen Abschuss meldeten, seine obligatorische Frage "Brennend?“ aber verneinen mussten.

Bei dem von Richthofen selbst geschilderten 57. Luftsieg vom 2. Juli 1917 saß er noch in einem Albatros- Doppeldecker. In den berühmten roten Fokker-Dreidecker stieg er erst einen Monat vor seinem eigenen Abschuss am 21. April 1918 um. Fast 90 Jahre ist das her, und man kann sich den medialen Luftkrieg, der um seinen Todestag herum entbrennen wird, leicht vorstellen. Im Fernsehen läuft sicher "The Red Baron“ von Roger Corman, im Kino unter demselben Titel der neue Film von Nikolai Müllerschön, mit Matthias Schweighöfer in der Titelrolle, vielleicht gibt es auch einen Peanuts- Sonderband mit Snoopys gesammelten Luftkämpfen. Im Washingtoner Smithsonian-Museum für Luft- und Raumfahrtgeschichte werden sie die Richthofen-Ecke entstauben, und bei der Ila auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld dürfte erneut ein Nachbau des roten Dreideckers aufsteigen.

Lebendiger Mythos

Eröffnet wurde dieses Trommelfeuer bereits jetzt mit der Biografie "Der Rote Baron“ des Historikers Joachim Castan. Er hat sich vorgenommen, "die ganze Geschichte des Manfred von Richthofen“ zu erzählen, also nicht, wie sonst üblich, das Heldenbild nachzupolieren, sondern im Gegenteil den Menschen dahinter zu zeigen und vom Mythos abzugrenzen – ein Anspruch, dem das Buch nur mit Einschränkungen gerecht wird.

Dieser Mythos ist also noch immer so lebendig, dass man ihm zutraute, Stoff für eine millionenschwere Filmproduktion abzugeben. Und wahrscheinlich geht die Rechnung sogar auf. Denn mögen heute auch hochgezüchtete, mit Computern vollgestopfte Kampfmaschinen den Himmel beherrschen, in den Köpfen spukt doch nach wie vor die Legende vom Roten Baron, dem strahlenden Ritter der Lüfte, heldenhaft im ehrenvollen Kampf Mann gegen Mann, respektiert selbst von seinen Gegnern. Von Richthofen selbst, so zeigt Castan, hat an der Glorifizierung seiner Person kräftig mitgewirkt.

Träger der Propaganda an der Heimatfront

Der um Erfolgsmeldungen mehr und mehr verlegenen Heeresführung war er als Retter in der Not hochwillkommen, nahm bald eine tragende Rolle in der Propaganda an der Heimatfront ein, worauf zwei Jahrzehnte später Reichsluftfahrtminister Hermann Göring gerne zurückgriff. Allerdings, schon die manische Lust von Richthofens, seinen Gegner brennend stürzen zu sehen, passt wenig zum Ruf der Ritterlichkeit. Und so ist es das größte Verdienst der Biografie Castans, Legende und Wirklichkeit des Roten Barons wie auch insgesamt des damals angeblich noch so ritterlichen Luftkriegs zu kontrastieren und den verfälschenden Mythos geradezurücken.

Der Autor, der die Ergebnisse seiner Studien auch zu einem TV-Dokumentarfilm umgießen wird, schildert ebenso spannend wie präzise den Weg des aus schlesischem Kleinadel stammenden von Richthofen: von der Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde über die Ernennung zum Leutnant bei den Ulanen 1912 bis zu ersten Einsätzen als Luftbeobachter bei der neuen Fliegertruppe 1915. Das Examen der Pilotenausbildung, unter anderem in Döberitz bei Berlin, besteht von Richthofen erst beim dritten Versuch – ein schwieriger Start zur Karriere als erfolgreichster Jagdflieger des Ersten Weltkriegs mit zuletzt 80 Abschüssen.

Psychologisierend-spekulativ

Castans gründliche Recherche deutet sich bereits in der umfangreichen Literaturliste an, auch auf bislang unbekannte Dokumente aus dem Besitz der Familie konnte er zurückgreifen. Leider aber entgeht er selbst nicht einer gewissen Mythologisierung. Im Bemühen, den Charakter des Roten Barons zu fassen, ihn vor allem aus "einem alles dominierenden Jagdinstinkt“ zu erklären und für die letzten Lebensmonate gar eine seelische Erkrankung zu diagnostizieren, gerät Castan immer wieder ins Psychologisierend-Spekulative, muss zum verräterischen Wörtchen "offenbar“ Zuflucht nehmen, wertet womöglich subjektiv verfälschte Einschätzungen der Mutter von Richthofens, der Kameraden oder sogar unbeteiligter „Experten“ als Beleg seiner Hypothesen.

Und schließlich scheut er nicht davor zurück, von Richthofens Gefühle beim letzten Einsatz so farbig auszumalen, als hätte dieser sie persönlich geschildert. Dazu aber hatte der Rote Baron, als sein Dreidecker am Morgen des 21. April 1918 hinter den feindlichen Linien zu Boden ging, keine Gelegenheit mehr. Ein Herzschuss, wahrscheinlich vom MG eines australischen Infanteristen, hatte ihn noch in der Luft getötet.

Joachim Castan: Der Rote Baron. Die ganze Geschichte des Manfred von Richthofen. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2007. 360 Seiten, 24,50 Euro.

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