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Bundestag: Verkuppelt

Als Epochendarstellung wird man das Buch nicht lesen – wohl aber als Nachschlagewerk nutzen, wenn die Feinheiten der parlamentarischen Entscheidungsfindung über und um den Reichstag in Frage stehen. Der Bundestag als Bauherr: eine Studie.

Unendlich weit weggerückt sind die Auseinandersetzungen, die im Deutschen Bundestag um die Bestimmung zunächst von Parlaments- und Regierungssitz, dann, in etwas kleineren Runden, um die Festlegung des Parlamentshauses ausgetragen wurden. Die erste Wahl fiel auf Berlin, die zweite auf den Reichstag. Um ihn geht es hauptsächlich in dem soeben von der bundestagsnahen Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien veröffentlichten Buch von Nino Galetti, „Der Bundestag als Bauherr in Berlin. Ideen, Konzepte, Entscheidungen zur politischen Architektur (1991–1998)“, (Droste Verlag, Düsseldorf 2008, 412 S., 69 €).

Die Papierberge, die der Autor durchgewühlt hat, müssen bereits arg geraschelt haben. Das ist nun einmal das Dilemma einer Dissertation: Was sie an Präzision auf der einen Seite erbringt, geht ihr auf der anderen durch Trockenheit verloren. Immerhin existiert jetzt eine quellengestützte Darstellung, die den mäandernden Diskussionsprozess – grotesk geradezu beim Einzelproblem der Reichstagskuppel – nachvollziehbar macht. Wenn eine Einsicht aus dem Aktenstudium gezogen werden kann, dann die: wie beinahe zufällig die Entscheidungen zustande kamen.

Bei der Buchvorstellung – natürlich! – im Reichstag ließ der Autor denn auch durchblicken, dass er Norman Fosters „Kommunikationstalent“ für die Ursache seines Sieges hält, obwohl der britische Architekt doch mit einem dem späteren Kuppelaufbau gerade entgegengesetzten Entwurf zu den drei – anfangs gleichrangig behandelten – Preisträgern des Bauwettbewerbs gewählt worden war. Viel Platz räumt der Autor der Vorgeschichte des Reichstagsumbaus ein; andererseits musste er auch die eher nur einen engeren Kreis von Parlamentsforschern interessierenden Formalien der beteiligten Bundestagskommissionen darstellen.

Die im wahrsten Wortsinne minuziöse, nämlich Tag für Tag und Stunde für Stunde abarbeitende Darstellungsweise verhindert nahezu jeden politischen Ausblick. Das wird an Nebensächlichkeiten deutlich; etwa wenn Galetti die Formulierung findet, „Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins schenkte die Bundesregierung der Stadt ein historisches Museum“. Aus welcher Broschüre das wohl stammen mag? Nun gut, als Epochendarstellung wird man das Buch nicht lesen – wohl aber als Nachschlagewerk nutzen, wenn die Feinheiten der parlamentarischen Entscheidungsfindung über und um den Reichstag in Frage stehen. Bernhard Schulz

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