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Literatur: Der Akt des Auslösens

Erinnert sich noch jemand an die Polaroid-Kamera? Als die Sofortbildtechnik in den Vierzigern aufkam, verlieh sie der Fotografie erstmals das Gegenwartsversprechen – knipsen und angucken.

Erinnert sich noch jemand an die Polaroid-Kamera? Als die Sofortbildtechnik in den Vierzigern aufkam, verlieh sie der Fotografie erstmals das Gegenwartsversprechen – knipsen und angucken. Heute, wo Digitalkameras das schneller und günstiger erledigen, wirken die Geräte auch ob ihres immensen Materialaufwands doch ziemlich vorgestrig.

Arno Fischers Fotos zeigen, dass der Reiz von Polaroids allerdings gar nicht in der Unmittelbarkeit liegt, sondern in ihrer Vergänglichkeit. Polaroids sind keine bloßen Abbilder. Sie sind Teil des Moments, den sie zeigen, tragen den Akt des Auslösens noch in sich, und die Zeit hinterlässt an ihnen ihre Spuren. Fischer, einer der prägendsten DDR-Fotografen, hat 30 Jahre lang seinen Garten fotografiert. Bemooste Steine, verwitterte Korbsessel, leere Gießkannen, gesprungene Scheiben. Ähren recken sich in einen gelblichen Himmel, während daneben Schnee auf alte Bäume drückt.

Über den kräftigen, erdigen Farben liegt oft ein Schleier. Manche Bilder sind verwackelt, andere schon ausgeblichen. Obstschüsseln zeigen die Früchte des Gartens, doch sind sie im Schatten kaum zu sehen. Eine Lebensfülle, die unwiederbringlich vergangen ist. Fensterblicke auf verlorene Momente, die in ihrer Anordnung als Triptychen auch etwas von Filmstills haben. Schwierig, mit dem Blättern aufzuhören. Eine wunderbare Schwermut wohnt in diesen Bildern, eine geradezu tröstliche Melancholie. Wie die letzten verzweifelten Versuche, Gegenwart festzuhalten, bevor die Erinnerung verbleicht. Kolja Reichert

Arno Fischer: Der Garten. Hatje Cantz, Ostfildern 2007. 88 Seiten, 50 €

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