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Frankfurter Buchmesse: Beleidigt

Es wird debattiert, gelesen und vorgetragen, aber ein Dialog findet zwischen China und den anderen Literaten nicht statt .

Von Gregor Dotzauer

Es wird debattiert, gelesen und vorgetragen, dass den Dolmetschern der Kopf raucht, aber ein Dialog findet nicht statt. Die Delegation des offiziellen China, die von den deutschen Verlagen extra eingeladenen Autoren und die Diskutanten auf den Bühnen von „Reporter ohne Grenzen“ oder dem deutschen PEN: Sie alle reden auf der Buchmesse über das gleiche Land – und gewaltig aneinander vorbei.

Zwischen den mit kunstvoll zusammengesteckten Büchern hochgezogenen Mauern in der Ausstellungshalle des Ehrengastes brüstet man sich der idealen Verbindung von „Tradition und Innovation“: Klassisches Druckgewerbe und digitales Publizieren – wir können beides! Unweit davon treffen Internetschriftsteller auf solche, die noch mit Büchern ihr Publikum suchen. In Halle 3 gibt derweil die 1973 geborene Erzählerin und Filmemacherin Xiaolu Guo, die im Knaus Verlag gerade ihren dritten Roman „Ein Ufo, dachte sie“ veröffentlicht hat, ein Interview. Sie lebt seit 2002 in London, die Nervosität, sich öffentlich über ihr Heimatland zu äußern, in dem sie nach wie vor dreht, hat sie jedoch nie verlassen – in einer Atmosphäre freundlich lächelnder Repression weniger denn je. Seit Beginn der Buchmesse, erzählt der Journalist Shi Ming, gibt es in China nur noch zwei staatliche Websites, die über die Frankfurter Geschehnisse berichten. Die Diskussion ist streng reglementiert, und da, wo unliebsame Themen sich nicht rechtzeitig aus dem Netz entfernen lassen, da neutralisieren Tausende von bezahlten Bloggern sie mit Klatschberichten.

Härte und Subtilität gehen eine elegante Liaison ein. Nur das Gerücht, alle offiziellen Autoren seien kujoniert und dazu gebracht worden, Interviews mit deutschen Medien zu verweigern, nachdem sich die Absagen häuften, gehört ins Reich der Verschwörungstheorien. Wenn ein Mo Yan Termine platzen lasse, so meint einer, der die eitle Empfindlichkeit des Starautors kennt, dann habe das eher mit Beleidigtsein zu tun. In der Presse war er nach seiner Eröffnungsrede bei der Buchmesse ziemlich schlecht weggekommen. Für Mo Yan wie für viele seiner Kollegen gilt aber sicher auch, dass man sich im Ausland grundsätzlich patriotischer verhält als zu Hause – erst recht unter Druck. Das muss kein Schaden sein. Vincent Brossel von „Reportern ohne Grenzen“ ist überzeugt, dass die zögerliche Liberalisierung Chinas nicht auf einen Sinneswandel des Regimes zurückgehe, sondern allein auf den Nachdruck, mit dem das Volk Zugeständnisse einfordere.

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