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Frankfurter Buchmesse: Und die Triebe sahen den Engel

Nich Caves Roman „Der Tod des Bunny Munro“ ist eine Mischung aus Comic, Porno und derbem Witz.

In Nick Caves Roman „Der Tod des Bunny Munro“ tingelt ein sexbesessener Kosmetikvertreter im Süden Englands von Tür zu Tür einsamer Hausfrauen, und wenn er Glück hat, weitet sich die Handcremedemonstration zum tabulosen Liebesspiel aus. Er befindet sich in einer permanenten „Pornodenkblase“, die nicht einmal zerplatzt, als er die Leiche seiner Frau auffindet, die sich kurz vor seiner Heimkehr am Fenster erhängt hat.

In einer Mischung aus Comic, Porno und derbem Witz führt Cave seinen Antihelden zwischen Monstrosität und Erbärmlichkeit vor. Über all dem archaischen Trash steht die melancholische Ironie des Popmystikers, der seit über zwanzig Jahren auf der Bühne steht. Als Musiker gibt er den bibelfesten Poeten der Finsternis ähnlich blasphemisch und schwarzhumorig wie in seinem Debütroman „Und die Eselin sah den Engel“ von 1989. Auch in „Bunny Munro“ wimmelt es von Transzendenzbezügen und Endzeitsymbolik.

Vorahnung der eigenen Verdammnis

Bunny dämmert früh, dass es kein gutes Ende mit ihm nehmen wird. Und in der von christlicher Prädeterminationslehre inspirierten Erzähllogik ist es gerade die Vorahnung der eigenen Verdammnis, die den selbsternannten Verführer dazu bringt, mit seinem ohnehin olympiareifen Triebleben erst richtig loszulegen.

Nach dem Tod seiner Frau, die ihm einen neunjährigen Sohn hinterlassen hat, setzt sich Bunny in seinen Kleinwagen und verwandelt diesen ins Höllengeschoss seiner privaten Apokalypse. Neben ihm auf dem Beifahrersitz versucht der engelsgleiche Junge, seiner Verwirrung über den Selbstzerstörungsrausch des Vaters Herr zu werden. Von „Inkubus“ bis „Nahtoderfahrung“ schlägt er in seiner Kinderenzyklopädie stoisch alles nach und macht sich einen eigenen Reim auf die Walpurgisnacht, die ihn umgibt.

Eindrucksvolle impressionistische Sprachgewalt

Nicht bloß durch seine Unschuld und bedingungslose Liebe, die er seinem in Wahnvorstellungen, Sex- und Drogenexzessen delirierenden Vater entgegenbringt, wird er zu dessen Gegenspieler: Am Schluss von Caves Abrechnung mit den Dämonen und den dreckigen Witzen seiner wilden Jugend geht der Sohn als Hoffnungsträger einer neuen Generation unbeschadet aus dem Treiben hervor.

Allerdings hätte die Frohe Botschaft mindestens siebzig Seiten früher verkündet werden sollen. Denn die eindrucksvolle impressionistische Sprachgewalt, mit der die Vorboten des Todes daherkommen, ändert nichts an deren aufdringlicher Häufung und dem ermüdend durchironisierten Pathos im letzten Drittel des Romans.

- Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro. Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 312 Seiten, 19,95 €

Marianna Lieder

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