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© dpa

Georg-Büchner-Preis: "Stilistische Pracht"

Ein Portrait über den Frankfurter Schriftsteller und diesjährigen Georg-Büchner-Preisträger Martin Mosebach.

Der kurzlebige Zeitgeist ist Martin Mosebachs Sache nicht. Der Frankfurter Schriftsteller und Georg-Büchner-Preisträger 2007 gilt als großer Stilist und als detailfreudiger Erzähler, der lange Sätze liebt und seinen Lesern in wohl temperiertem Ton ausführliche Beschreibungen scheinbar einfacher Gegenstände, Situationen oder Lebewesen zumutet. In "Das Beben" (2005) beschreibt er so genüsslich den Anblick einer "Heiligen Kuh": "Ihr Fell war von feinstem Hellgrau, gelegentlich schwarz überpudert, wo die Haut sich an Gelenken oder im Nacken faltig staute. Die Ohren waren groß, bewegten sich wie rosige Hände beim Fliegenverscheuchen, leichthin zuckend, und hatten an den Spitzen weiße Pinselhärchen."

Kritiker vergleichen den stets korrekt gekleideten Bildungsbürger gerne mit Thomas Mann. Nach dem Urteil der Büchner-Preis-Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist er ein Schriftsteller, der "stilistische Pracht mit urwüchsiger Erzählfreude verbindet und dabei ein humoristisches Geschichtsbewusstsein beweist, das sich weit über die europäischen Kulturgrenzen hinaus erstreckt". Mosebach, der mit Romanen wie "Die Türkin" (1999) oder "Eine lange Nacht" (2000) bekannt wurde, sei ein genialer "Formspieler auf allen Feldern der Literatur und nicht zuletzt ein Zeitkritiker von unbestechlicher Selbstständigkeit".

"Der eigene Stil ist einem weitgehend unsichtbar"

Der vielfach preisgekrönte 55-Jährige kommentiert diese Einschätzungen nicht. "Der eigene Stil ist einem weitgehend unsichtbar, so wie man die eigene Stimme falsch einschätzt und erschrickt, wenn man sie auf dem Tonband hört", sagte Mosebach.

Mosebach wurde 1951 in Frankfurt am Main als Sohn eines Arztes geboren. Er studierte zunächst Jura in Frankfurt und Bonn und machte 1979 sein zweites Staatsexamen. Statt eine juristische Laufbahn einzuschlagen, beschloss er 1980, freier Schriftsteller zu werden. Seitdem arbeitet er in nahezu jedem Genre und hat sowohl Romane als auch Dramen, Gedichte, Hörspiele, Reportagen, Drehbücher und Essays veröffentlicht. Er ist verheiratet und hat zwei Stiefkinder.

"In Frankfurt hängen geblieben"

Auch der Kirche widmet sich der Katholik in seinem Werk. In "Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind" (2002) stellt Mosebach provokative Fragen zum Zweiten Vatikanischen Konzil, etwa ob Papst Paul VI. durch die Abschaffung des Lateinischen als Liturgiesprache die Kirche nicht ihrer Substanz beraubt hat.

Mosebach, der nie den Führerschein gemacht hat und sich deshalb oft auf seinem Drei-Gang-Rad fortbewegt, ist seiner Heimatstadt treu geblieben. "Ich bin in Frankfurt geboren, und ich bin in Frankfurt irgendwie auch hängen geblieben, eigentlich ohne besondere Absichten." Inzwischen genieße er es aber, in einer "selbstverständlichen Umgebung" leben und arbeiten zu können. Überhaupt scheint Mosebachs Wohngegend im Frankfurter Westend Schriftsteller anzuziehen: Im Haus direkt gegenüber wohnt Büchner-Preis-Träger Wilhelm Genazino.

Zweideutiges Verhältnis zur Heimatstadt

Zwar zieht sich Mosebach zum Schreiben gerne "in Klausur" irgendwo im fernen Ausland zurück, "weil ich mich gerne total abschließe". Frankfurt ist aber immer wieder Schauplatz seiner Werke, etwa in "Westend" (1992) oder in seinem neuen Roman "Der Mond und das Mädchen", der im August erscheinen soll.

Sein zweideutiges Verhältnis zu seiner Heimatstadt beschreibt er in "Mein Frankfurt" (2002): "Es gehört zu meinem besonderen Verhältnis zu meiner Geburtsstadt Frankfurt am Main, dass ich sie als eine der verdorbensten und hässlichsten Städte Deutschlands erlebe und in meiner Phantasie und in meinem inneren Bild von der Stadt an sie als eine der schönsten Städte denke, die ich kenne. Ein Frankfurt der Vorstellung und das reale Frankfurt wohnen in mir dicht nebeneinander und berühren sich und überlappen sich sogar."

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sagte zur Entscheidung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung: "Vielen
Literaturkennern gilt Martin Mosebach seit langem als Geheimtipp. Ohne Zweifel gehört er mit seinem vielfältigen Erzählwerk in die erste Liga der großen deutschen Erzähler. Ich wünsche mir sehr, dass die Auszeichnung mit dem Büchner-Preis dazu beitragen wird, eine wachsende Leserschaft von den Qualitäten dieses hervorragenden Autors zu überzeugen."

Harald Schmidt[dpa]

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