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Hillary CLINTON

© - Foto: AFP

Hillary Clinton: Die Taktikerin

Zwei Biografien nähern sich Hillary Clinton. Interessant ist vor allem die Beleuchtung ihrer Zeit im weißen Haus, die Hinweise auf das Verhalten einer zukünftigen Präsidentin Clinton liefert.

Hillary Clinton ist eine verlogene, lesbische Sozialistin. Vielleicht ist sie auch bald, von einer überwältigenden Mehrheit der Amerikaner gewählt, die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten. Das Geheimnis Hillary Rodham Clinton wird seit Jahren gelüftet – die einen holen sich für diesen polarisierenden Prozess Argumente von www.stophillary.com und zitieren aus der Biografie von Edward Klein, der behauptet, Hillary habe ihren ersten Freund verprügelt. Die anderen halten sie schlicht für die eindrucksvollste Frau der Welt.

Auch Carl Bernstein, Ikone des amerikanischen Journalismus als einer der beiden „Watergate“-Reporter, verspricht in seiner Biografie, das Geheimnis Hillary Clinton zu lüften, und hält das Versprechen natürlich nicht. Die beiden „New York Times“-Journalisten Jeff Gerth und Don van Natta Jr. geben sich gleich geschlagen und stellen in ihrem Epilog nur noch die Frage „Wer also ist die echte Hillary?“, ohne sie zu beantworten. Die Frau, die möglicherweise eine Antwort darauf gehabt hätte, wollte weder mit Bernstein noch mit Gerth und van Natta reden. Und so erzählen beide Biografien ein bewegtes, aber nicht ganz unbekanntes Leben chronologisch nach, von den gläubigen Anfängen in Park Ridge, Illinois, bis zum pompösen Senatorenbüro in Washington D.C.

Bemerkenswert ist in beiden Büchern die Abwesenheit von Tochter Chelsea, die kaum eine Rolle spielt; neu ist in Bernsteins monumentalem Buch zum Beispiel, dass Hillarys Vater nicht streng, wie sie ihn selbst gerne schildert, sondern tyrannisch gewesen sein muss. Oder auch, dass sich Bill, noch in Arkansas, von Hillary scheiden lassen wollte. Doch ihre Vergangenheit ist in diesen Tagen vor allem deshalb von Interesse, weil sie möglicherweise Hinweise auf ihr zukünftiges Auftreten liefert. Ihr Wirken im Weißen Haus, das beide Biografien mit großer Detailkenntnis Revue passieren lassen, aber auch das Leben vorher mit ihrem erotisch neugierigen Ehemann, verlief jedenfalls nach einem ähnlichen Muster: nichts preisgeben, alles abstreiten. Den Höhepunkt dieser Taktik, für die Bernstein und Gerth/van Natta übereinstimmend Hillary verantwortlich machen, bildete Bill Clintons berühmte Lüge: „Ich hatte keine sexuelle Beziehung zu dieser Frau … Miss Lewinsky.“ So unglaubwürdig der Satz auch gewirkt haben mag, Clinton gewann damit etwas Zeit und rettete so vermutlich sein Amt.

Umgekehrt wäre es vermutlich nie zu einem Amtsenthebungsverfahren gekommen, wenn die Clintons gegenüber Paula Jones, die eine Affäre mit Bill gehabt haben wollte, nicht dieselbe Mauer-Taktik angewandt hätten. In ihrer Autobiografie beschreibt Hillary Clinton die Entscheidung, keinen frühzeitigen Vergleich mit Jones zu schließen, zwar als „taktischen Fehler“. Aber offenbar hat sie diesen Fehler im Weißen Haus immer wieder gemacht und die Lage durch mangelnde Offenheit verschlimmert. Diese Taktik, die offenbar einem Grundreflex von Hillary entspringt, weil sie noch immer überdurchschnittlich viel von ihren politischen Gegnern einstecken muss, führte dazu, dass die Clinton-Präsidentschaft ihres „fast unbegrenzten Potenzials beraubt wurde“, wie Bernstein zu Recht schreibt.

Vermutlich, weil er sein ohnehin umfangreiches Buch rechtzeitig auf den Markt bringen wollte, geht Bernstein kaum auf die Senatsjahre ein. Dabei waren sie, wie Gerth und van Natta deutlich machen, entscheidend für ihre politische Weiterentwicklung. Als Senatorin für den Staat New York rückte die ehemals ideologische, geradezu manichäische Hillary in die politische Mitte und lernte, sich als Dienerin einer politischen Institution zu verhalten. Im Gegenzug verlieh ihr der Senat jene überparteiliche, staatsmännische Aura, ohne die sie die Umfragen heute niemals anführen würde. Sie ist inzwischen kompromissbereiter und würde vermutlich nicht noch einmal ähnlich unklug vorgehen wie zu Beginn der Clinton-Präsidentschaft, als sie versuchte, handstreichartig das amerikanische Gesundheitssystem umzubauen – und kläglich scheiterte.

Zugleich weist die Senatorin Clinton aber noch immer jene Charakterzüge auf, die schon im Weißen Haus so furchtbare Auswirkungen hatten. 2002 stimmte sie im Senat für den Irakkrieg, obwohl den Senatoren ein Geheimdienstbericht offen stand, der große Zweifel an einigen der Bush-Beweisen hegte. Zudem beharrte auch sie auf der angeblichen Verbindung zwischen Saddam Hussein und Al Qaida. Statt sich heute offen zu ihren Fehleinschätzungen von damals zu bekennen, verstrickt sich die Taktikerin Clinton jedoch wieder in Unwahrheiten.

Im Wahlkampf braucht Hillary dringend ein Repertoire an Reaktionen, das über ihr bekannt souveränes, aber sprödes, taktisches und oft auch gereiztes Auftreten hinausreicht. Über ihr roboterhaftes Lachen machen sich bereits die amerikanischen Kabarettisten im Fernsehen lustig. Der Hillary Clinton, wie sie uns in diesen Büchern beschrieben wird, fehlen der politische Instinkt und die Ausstrahlung von Authentizität, über die Bill im Übermaß verfügt. Hillary Clinton kalkuliert, verliert nie die Beherrschung, liest nachts Akten und umgibt sich mit einem loyalen Kreis von Mitarbeiterinnen. Sie strebt danach, „nahezu unfehlbar zu wirken“ (Gerth/van Natta); sie will offenbar ein Geheimnis bleiben. Gegen einen wie Bill hätte sie in einem Wahlkampf so keine Chance. Aber erst mal tritt sie ja auch nur gegen Barack Obama an.

Carl Bernstein: Hillary Clinton. Die Macht einer Frau. Droemer Verlag, München 2007. 959 Seiten, 22,90 Euro.

Jeff Gerth, Don van Natta Jr.: Hillary Rodham Clinton. Ihr Weg zur Macht. Piper Verlag, München 2007. 416 Seiten, 16, 90 Euro.

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