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Hör BÜCHER: Alles wird, nichts dauert

Der besorgte Blick auf den schwindsüchtigen Abreißkalender verrät: Das „Fest der Liebe“ naht wieder, unausweichlich. Aus gegebenem Anlass daher ein paar Tipps.

Der besorgte Blick auf den schwindsüchtigen Abreißkalender verrät: Das „Fest der Liebe“ naht wieder, unausweichlich. Aus gegebenem Anlass daher ein paar Tipps. Womöglich kann das eine oder andere Hörbuch hier professionelle Hilfe leisten.

„Paul Ferrini ist ein neuer Khalil Gibran, Larry Dossey.“ So steht es auf Paul Ferrinis „Die zwölf Schritte der Vergebung – Aus der Tiefe des Herzens leben“ (Steinbach Sprechende Bücher, 2008). – Aha! Zwar kenne ich weder Larry Dossey, noch kannte ich bis vor kurzem Khalil Gibran (Gibt’s aber! Vgl.: „Der Prophet“, C. H. Beck Hörbuch, 2008), allerdings, das muss ich zugeben, kenne ich mich in der internationalen „Aus–derTiefe–des–Herzens–leben“-Szene auch nicht so sonderlich gut aus. Von Paul Ferrini immerhin habe ich nun dieses Hörbuch. Lässt man sich darauf ein, erfährt man tatsächlich eine Menge Lebensklugheiten. Womöglich ist Paul Ferrinis Grundsatz so etwas wie eine Kopernikanische Wende in der aktuellen Vergebungsphilosophie, mir jedenfalls leuchtet das sofort ein: „Ich kann nicht andern vergeben, wenn ich mir selbst nicht vergebe.“

Über dieser zweieinhalbstündigen Anhörung hatte ich allerdings ganz vergessen, mit Hector Gassi zu gehen. Da ich nach Paul Ferrini ein wenig wie unter dem Einfluss sedativer Mittel stand, gab es indes statt der fälligen Standpauke (wegen der riesigen Pfütze im Flur) von mir nur müde Verständnisvolles: „Ich kann dir vergeben, Hector – weil ich mir selbst ja vergebe!“ Ungläubig winselte der Hund mich an, dann ging’s ab: Gassi – Schwamm drüber (beziehungsweise: Haushaltstuch!). Zu Risiken und Nebenwirkungen frage man mich also besser nicht. Als Hector, beseelt und besessen, unten auf den nächstbesten Straßenschnüffelbaum zusprintete, kamen mir Zweifel. Ist es fürs Seelenheil wirklich vernünftig, dass Paul Ferrini rät, die Suche nach Vollkommenheit (in diesem Falle: der weiblichen) zu überwinden? Hector zumindest würde etwas fehlen.

Einen ebenso klugen wie hörenswerten, kultur- und literaturhistorisch orientierten Streifzug durch das Labyrinth der Liebe bietet Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe (Hoffmann und Campe, 2008). Ein Lexikon, das einschlägige Begriffe von A wie Abhängigkeit bis Z wie Zugrundegehen versammelt. Die Übersichtlichkeit ist gewährleistet, jedem Begriff ist ein eigener Track zugeordnet; insgesamt sind es 45. Das im Booklet abgedruckte Quellenverzeichnis verweist auf das weite Hinterland, aus dem heraus Roland Barthes operiert. Pointiert werden einige der Symptome beschrieben, die man an sich beobachten kann, wenn man sich im Zustand dieser sehr speziellen Unzurechnungsfähigkeit befindet. Es ist nicht gesagt, dass man dann weniger stammelt, aber eine Unterscheidung wie etwa die zwischen vernünftigem Gefühl („Alles wird werden, aber nichts dauert“) und liebendem Gefühl („Nichts wird werden, und doch dauert alles“) kann einem unter Umständen helfen, falls Verstand und Herz mal wieder unversöhnlich im Widerstreit liegen.

Ebenfalls von A bis Z – und ein bisschen direkter zur Sache als bei Paul Ferrini – geht es bei Helge Timmerbergs „Beziehungs-ABC“ (Steinbach Sprechende Bücher, 2008). Kurzweilig, charmant buchstabiert sich der Autor durch seine Begriffswelt, die allerdings ein ganzes Stück weltlicher ist: Bei „Bügeln“ und „Mieder“, die man in Roland Barthes Lexikon vergeblich sucht, wird man hier fündig. Für eine Komplettversorgung würde ich daher Barthes und Timmerberg empfehlen. Damit sind fast alle Höhen und Tiefen, die es auf diesem Gebiet gibt, erfasst. Sehr schön, wie Helge Timmerberg sich unter dem Buchstaben „H“ nicht entscheiden kann, was er abhandeln soll; da ahnt man, was für ein weites Feld das ist.

P. S.: Falls Sie, liebe Leserin, lieber Leser, gerade friedlich beim Sonntagsfrühstück sitzen – und falls das auch so bleiben soll –, verweise ich hier noch auf den Buchstaben „O“. Helge Timmerberg liefert da eine Aufzählung, was alles in die Rubrik „offensichtlicher Blödsinn“ gehört. Nr. 24 der Liste lautet: „Sich selbst für informativer zu halten als die Morgenzeitung“. (Das wollte ich an dieser Stelle ja nur mal gesagt haben!)

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