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Jugoslawien: Balkan-Babel

21 Autoren ergründen den Jugoslawien-Konflikt.

Von Caroline Fetscher

Als seine serbischen Freunde anfingen, von einer Trennung der Ethnien im Land zu schwärmen, wurde Charles Simic, ein Lyriker im amerikanischen Exil, hellhörig. „Wie kann es eine Trennung geben, wenn ihr alle so durcheinandergewürfelt lebt?“, erkundigte er sich. „Doch eine klare Antwort bekam ich nie.“

Richard Swartz, ein in Schweden geborener Journalist mit drei Jahrzehnten Korrespondentenerfahrung in Ost- und Südosteuropa, hat 21 Autoren eingeladen, die Beziehungen zwischen den „eigenen“ und „anderen“ Bewohnern ihrer Region zu beleuchten. Neben berühmten Schriftstellern wie Isamail Kadaré findet sich hier auch die neue Elite junger Autoren, von der Belgraderin Biljana Srbljanovic und dem aus Sarajevo stammenden Aleksandar Hemon bis zu Beqe Cufaj, einem in Stuttgart lebenden Kosovo-Albaner, der einen ergreifend realistischen Essay über das Sterben seines Vaters schreibt, in dem das alte Jugoslawien zu Erinnerung gerinnt. Fünf Jahre alt war Bora Cosic, als seine Familie von Zagreb nach Belgrad zog. „Als wäre ich in ein Irrenhaus geraten“, erinnert sich der 1932 geborene Autor, „sprachen alle um mich herum ähnlich und auch wieder nicht, als gäbe es zwei Sprachen, die beim Sprechen aufeinander stießen.“

Wie überwältigend und wenig bewältigt der gewaltsame Zerfall Jugoslawiens für nahezu alle Autoren noch ist, dafür ist der häufige Bezug auf Kindheit und Familie ein starker Indikator. Entstanden ist eine explosive, bewegende, heterogene Anthologie. Hier schreiben die, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, jenseits des „Ethnischen“ Klischees zu dekonstruieren. Geplant war übrigens das gleichzeitige Erscheinen des Bandes in acht Sprachen – in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Serbien und Slowenien. Das ist noch nicht geschehen. Die anderen Verlage nebenan, heißt es, seien aber auf dem Weg. Caroline Fetscher

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