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Literatur BETRIEB: Das große Sparen

Es gehört zum Wesen der Frankfurter Buchmesse, dass sie nie schläft. Tagsüber ist Messe und werden Geschäfte gemacht, nachts sind die Buchmessenpartys und werden auch Geschäfte gemacht, manchmal gar die wichtigeren, lukrativeren.

Es gehört zum Wesen der Frankfurter Buchmesse, dass sie nie schläft. Tagsüber ist Messe und werden Geschäfte gemacht, nachts sind die Buchmessenpartys und werden auch Geschäfte gemacht, manchmal gar die wichtigeren, lukrativeren. Dieses Jahr aber ist einiges anders, auch die am 13. Oktober beginnende 61. Frankfurter Buchmesse befindet sich im festen Griff der Finanzkrise. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Partyzone der Verlage. 900 Millionen Euro will Bertelsmann, Europas größer Medienkonzern, dieses Jahr einsparen, und der Bertelsmann-Vorstandschef Hartmut Ostrowski stellte den Random-House-Verlagen diesbezüglich eine Kombination aus Preispolitik und Arbeitsplatzabbau in Aussicht. Was offenbar mit zu dieser Sparpolitik gehört: der Verzicht auf alle Random-House-Buchmessenpartys. Die sonst immer am Dienstagabend stattfindende Bertelsmann-Direct-Group-Feier im Japan-Tower fällt genauso aus wie der große, zuletzt überdimensionierte internationale Empfang am Donnerstag im Sheraton-Hotel. Und auch die nationale Random-House-Party im Bockenheimer Depot findet nicht statt – in der Krise erst recht knallhart zu feiern, scheint nicht Sache der Bertelsmänner zu sein, und das dürfte nur im Sinn der um ihre Arbeitsplätze zu Recht fürchtenden Verlagsangestellten sein. Man muss um diese Random-House-Feiern nicht trauern – ihr Glam-Faktor war nicht der allergrößte. Der Big-business-Faktor, der Global-player-Faktor dagegen schon. Hier traf sich eine Buchwelt, in der das Feuilleton keine Rolle spielt, in der Zahlen und Umsätze wichtiger sind als die schön aufgemachte Buchausgabe eines zwar genialischen, aber in Vergessenheit geratenen italienischen Schriftgelehrten aus dem 18. Jahrhundert.

Den Link zwischen dieser Welt und dem Literaturbetrieb wiederum bildete alljährlich der Freitagsempfang des Droemer/Knaur-Verlages im Frankfurter Hof, der von einer Feuilleton-Größe wie Frank Schirrmacher oder von Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust genauso besucht wurde wie von Fernsehprominenz von Claus Bresser bis Dieter Kürten. Auch dieser Empfang fällt dem Rotstift zum Opfer. Das ist umso bitterer, als gerade Droemer/Knaur-Verlagsleiter Hans-Peter Übleis in seinen sympathischen Ansprachen noch jeder Krise den Wind aus den Segeln zu nehmen wusste und selbst in schweren Jahren wie 2001 und 2002 nichts als Optimismus versprühte.

Und den braucht es. Denn auch viele andere Verlage müssen sparen. So der Berlin-Verlag, der sein traditionelles Buchmessen-Opening am Dienstag auf zwei Stunden begrenzt hat und schon um Mitternacht Schluss macht. Oder wie der Rowohlt-Verlag, der wieder in die Schirn einlädt, sich dort aber, wie es heißt, auf den Getränkeausschank konzentrieren will.

Da lobt man sich den Piper-Verlag, der zwar sein samstägliches Café im Frankfurter Hof geschlossen hat, aber zum ersten Mal mit einer Sause im Velvet Club aufwartet; der neue Piper-Chef Marcel Hartges will schließlich seinen Einstand geben. Auch Hartges vorheriger Verlag Dumont bleibt am Partyball. Nach dem großen, gut besuchten Debüt im letzten Jahr ist er wieder mit einer Party in einem Club in der Nähe der Hauptwache vertreten. Und natürlich ist auch der Suhrkamp-Kritikerempfang sakrosankt, der ein letztes Mal gewissermaßen unter Frankfurter Flagge stattfindet – doch trotz des Suhrkamp-Umzuges nach Berlin soll der Kritikerempfang in Frankfurt beibehalten werden. Tradition trotzt noch jeder Krise. Auch Joachim Unseld hat wieder in sein Privathaus im Frankfurter Westend eingeladen. Der Ruf, eins „der wenigen verlässlichen Party-Highlights der Frankfurter Buchmesse“ zu sein, wie der „Spiegel“ 2006 schrieb, soll gewahrt bleiben. Zumal Unseld und seine Frankfurter Verlagsanstalt wieder in literaturfernen Zirkeln unterwegs sind: Die Umschläge der aktuellen FVA-Titel wurden alle von Neo Rauch gestaltet. Hier ist der Glam-Faktor also noch höher geworden, hierher werden sich angesichts der Partyausfälle noch mehr Leute auf den Weg machen, nicht zuletzt Random- House-Stammgäste. Nur eine rigide Türpolitik dürfte Joachim Unseld also davor bewahren, dass sein Haus aus allen Nähten platzt und sein Garten mit Bier- und Weinflaschen verwildert wird.

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