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Literatur BETRIEB: Das große Wechseln

Gerrit Bartels über die Neuzugänge beim Verlag Kiepenheuer & Witsch

Es war eine kleine, aber überraschende Meldung, die der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch zusammen mit dem Eichborn-Verlag letzte Woche verschickte: Wolfgang Hörner und Esther Kormann, bislang bei Eichborn Berlin, gründen nächstes Jahr einen neuen Verlag, der unter dem Namen „Galiani Berlin“ als Imprint unter dem Dach von Kiepenheuer & Witsch firmiert.

Nun haben die Verlage Kiepenheuer & Witsch und Eichborn nicht die Größenordnung von Random House oder Bonnier, die sich immer mal wieder kleinere Verlage einverleiben, so wie unlängst der zu Bonnier gehörende Piper-Verlag, der den von Christian Strasser geleiteten Pendo-Verlag gekauft hat. Doch gerade im Bereich deutschsprachiger Gegenwartsliteratur gehören Kiepenheuer & Witsch und Eichborn Berlin zu den wichtigsten Verlagen in Deutschland – weshalb man bei dieser Liason mitsamt der Personalie zwar nicht gleich von einer Elefantenhochzeit, aber doch von einem Coup sprechen kann, bei dem Sieger und Verlierer leicht auszumachen sind

Für den in Frankfurt residierenden Eichborn-Verlag ist der Weggang von Hörner und Kormann ein herber Verlust. Denn Eichborn Berlin ist das Vorzeigelabel von Eichborn, wenn nicht das einzige, das Gewinne erwirtschaftet. Hörner schaffte es nicht nur, jüngere Autoren und Autorinnen wie Karen Duve, Jenny Erpenbeck, Gerhard Seyfried und Jan Costin Wagner auf dem Buchmarkt zu positionieren und bei einem größeren Publikum bekannt zu machen. Er sorgte mit der Entdeckung und Veröffentlichung von Sven Regener und dessen Lehmann-Trilogie überhaupt für eine der größten deutschsprachigen Buchmarkterfolge der vergangenen Jahre. Hörner erlaubte sich zwar immer auch mal Flops mit Ansage, Liebhaberprojekte wie obskure Buchbücher wie Detlef Opitz’ „Der Büchermörder“ oder Germar Grimsons „Hinter Büchern“. Doch mit seiner anderen Liebhaberei, mit Klassikerausgaben von Montaigne, Flaubert, Ford Madox Ford oder den Humboldtbüchern schrieb er oft überraschend schwarze Zahlen. Da war es logisch, dass Eichborn Berlin erst im vergangenen Sommer die Verantwortung für die gesamte Literatursparte bei Eichborn übertragen wurde – umso schwerer dürfte es für den zuletzt arg gebeutelten Frankfurter Verlag und seinen neuen Geschäftsführer Stephan Gallenkamp sein, adäquaten Ersatz zu beschaffen. Eichborn Berlin solle es weiter geben, hat Gallenkamp angekündigt, also ein Eichborn-Literaturlabel. Das aber „vielleicht etwas breiter aufgestellt“, was nicht viel Gutes verheißt. Bei Kiepenheuer & Witsch dagegen dürfte Zufriedenheit Trumpf sein, auch übermäßige Konkurrenz für das eigene Verlagsprogramm sieht man in Köln nicht. Verlagsleiter Helge Malchow verspricht sich durchaus Umsatzgewinne durch Galiani (wo Hörner und Kormann eigenständig arbeiten sollen, von der Programmauswahl über das Lektorat bis zur Pressearbeit); nicht zuletzt dadurch, dass Galiani-Bücher später in der KiWi-Paperback-Reihe zweitverwertet werden können. Und Malchow sagt, sein Verlag sei immer auf der Suche nach guten neuen deutschsprachigen Autoren, zudem käme gerade mit der durch Hörner und Kormann gepflegten Kultur der Klassikerausgaben und des kulturhistorischen, erzählenden Sachbuchs eine neue Farbe ins Programm.

Tatsächlich dürfte die Galiani-Gründung mit dem Standort Berlin eine hervorragende Ergänzung sein, ließ die Berlin-Orientierung von KiWi zuletzt doch etwas nach (selbst die Berliner KiWi- Buchmessen-Party fand in den letzten zwei Jahren nicht mehr statt). Zudem machte der Verlag zuletzt weniger durch seine jungen, deutschsprachigen Autoren von sich reden, für die einst gar der „Kiwi-Pop“ (versus Suhrkamp-Kultur!) erfunden wurde, sondern mehr durch Amerikaner wie David Foster Wallace oder Michael Chabon und ältere Autoren aus Deutschland wie Uwe Timm oder Katja Lange-Müller. Und deren Bücher wären ja ohne Probleme auch beim Suhrkamp-Verlag vorstellbar, der sich zuletzt ja verstärkt auch um den Pop kümmerte (Meinecke, Goetz, Madonna, Rapp). Mit Hörner und Kormann kann KiWi nun Suhrkamp neu angreifen – und den Suhrkamp-Pop locker einen guten sein lassen.

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