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Literatur: Mit Emil durch Berlin

Ich heiße Emil und wohne in Berlin, gegenüber von einem großen Park. Ich liebe die Farbe Orange, die Eisenbahn und Tiere.

Ich heiße Emil und wohne in Berlin, gegenüber von einem großen Park. Ich liebe die Farbe Orange, die Eisenbahn und Tiere. Außerdem spiele ich gerne Fußball und Lego.“ So stellt sich der kleine Junge vor, der in Orith Kolodnys und Francesca Bazzurros Bilderbuch „Berlin“ die Betrachter mit auf einen faszinierenden Streifzug durch die Stadt nimmt. Der Name erinnert nicht zufällig an Kästners Held. Emil erzählt davon, dass er bei Streit mit seinem Freund Jonathan eine Mauer baut und diese nach der Versöhnung wieder abreißt. Eine harmlose Geschichte, nicht wahr? Doch in Berlin und auch bei Orith Kolodny und Francesca Bazzurro hat vieles einen doppelten Boden. Berlin und Mauer, dazu fällt einem etwas ein. Doch die beiden gehen dezent vor, zeichnen eine Mauer aus Legosteinen auf einer grob aufgerasterten Fotomontage von Häuserfassaden, durch die ein Riss geht. Auf dem T-Shirt des Jungen erkennen Eingeweihte ein Mauergraffiti-Muster, während rechts oben in der Ecke mit wenigen Strichen der Grenzübergang Checkpoint Charlie skizziert ist. Spiel und Wirklichkeit passen hier zusammen, aber Kinder werden diesen Zusammenhang erst mit Hilfestellung der Erwachsenen erfassen. Die Grundlage jeder Doppelseite ist ein aufgerastertes Foto, das manchmal auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen ist. Manchmal hilft es, das Buch aus einigen Metern Abstand zu betrachten. Die beiden lieben knappe Sätze und das Prinzip der Collage. Es gibt viel zu entdecken – der Löwe im Zoo sieht genauso aus wie der Löwe auf dem Ischtar-Tor. Emil geht vom Hauptbahnhof ins Deutsche Technikmuseum, ohne dass der Name direkt im Text genannt wird. Aber das Museumslogo findet sich auf seinem T-Shirt, und am Ende des Buches finden sich die angesprochenen Sehenswürdigkeiten mit Kurzbeschreibung mit ihren Logos. Ein Stadtplan auf der ersten Doppelseite erleichtert die Orientierung, wenngleich er nicht konsequent durchgestaltet ist. So fehlt etwa der Checkpoint Charlie. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt werden genannt, auch das Holocaust-Mahnmal, dessen Bedeutung sich im Buch erst einmal nicht erschließt, was der kindlichen Wahrnehmung entspricht. Ein faszinierendes Bilderbuch, das seinen Umweg über Frankreich zu uns gefunden hat und unbedingt mit Erwachsenen zusammen angeschaut werden sollte. Rolf Brockschmidt

Orith Kolodny, Francesca Bazzurro: Berlin. Aus dem Französischen von Annette Güthner. Coppenrath Verlag, Münster 2009. 38 S. 12,95 Euro. Ab sechs Jahren

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