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SCHREIB Waren: Was zu Buche schlägt

Ist die Lage auf dem Buchmarkt tatsächlich so mies? Steffen Richter über Literatur und richtige Literatur.

Gerade wieder scheint es, als seien ganz fürchterliche Zeiten für die Literatur angebrochen. Der Ammann Verlag, dies der Aufreger der vergangenen Woche, macht im nächsten Jahr dicht. Und das, nachdem schon die Edition Urs Engeler das Ende angekündigt hat. Zwei hochkarätige Schweizer Literaturverlage also vorm Aus! Die kulturpessimistischen Alarmglocken läuten Sturm. Ist die Lage aber tatsächlich so mies?

Hält man sich an die Zahlen, steht der Buchmarkt blendend da. Der Umsatz jedenfalls ist im letzten Jahr wieder mal gestiegen. Die Titelzahlen sind – nach Jahren des Wachstums – geringfügig zurückgegangen. Es klingt paradox, aber das könnte sogar eine gute Nachricht sein, weil die Überproduktion selbst Teil des Problems der Buchbranche ist. Immer mehr Verlage veröffentlichen immer mehr Bücher, von deren Notwendigkeit sie oft nicht hundertprozentig überzeugt sind. „Mittlere Bücher“ hat der Belletristik-Lektor Klaus Siblewski das einmal genannt. Diese tragen sich im besten Fall selbst, machen selten Gewinn, verstärken aber die Präsenz des Verlages in der Öffentlichkeit und erweitern auch die Backlist. Für die meisten Verlage sind sie ökonomisch überlebensnotwendig. Allerdings verstopfen sie auch den Markt und ziehen Aufmerksamkeit von den wirklich wichtigen Titeln ab: der Literatur im engeren Sinne. Die meinte Egon Ammann, als er letzte Woche seinen Rückzug auch damit begründete, dass die „Marktsituation“ zunehmend schwieriger würde. Na klar, bei Ammann erschienen Pessoa, Mandelstam, Dostojewski. Aber für die war die „Marktsituation“ selten richtig günstig. Weshalb positiv zu Buche schlägt, dass Verlage nicht nur schließen, sondern auch neu gegründet werden, wie etwa Galiani Berlin in diesem Jahr.

Oder dass der Lesebetrieb selbst in der Mitte des Sommers, da die meisten Veranstalter im verdienten Urlaub sind, für Erkenntnis und gute Unterhaltung sorgt. Im Literarischen Colloquium (Am Sandwerder 5, Zehlendorf) stellt Ulrike Kolb heute (20 Uhr) ihren neuen Roman „Yoram“ (Wallstein) vor. Es geht um eine Liebe, die unter besonderer Beobachtung steht, weil ihre Protagonisten Juden und Deutsche sind, also Nachfahren von Opfern und Tätern.

In der Buchhandlung Pro qm (Almstadtstr. 48–50) wird ebenfalls heute (20 Uhr 30) ein außergewöhnliches Buch über die Praktiken der Werbung präsentiert: Anne Elisabeth Moore, die Autorin von „Unmarketable: Brandalism, Copyfighting, Mocketing, and the Erosion of Integrity“, erklärt, wie Unternehmen die Ideen der alternativen Subkultur plündern und zum Mainstream machen.

Beim „Hörspielkino unterm Sternenhimmel“ im Schloss Charlottenburg (Spandauer Damm 20–24) ermittelt Kommissar Wallander: „Ein Toter aus Afrika“ (22.8., 21 Uhr 30).

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