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Schreibwaren: Im Eilzug und auf Briefen

Es gibt einige Briefschreiberinnen mit Künstler-Network wiederzuentdecken. Steffen Richter rühmt die starken Frauen der Literatur.

Eine „wahnsinnige Blutwurst“ soll die Bettina die Christiane genannt haben. Die Bettina ist die von Arnim, die Christiane die von Goethe, also des Geheimrats Gattin. Derart starker Text blieb nicht folgenlos, Goethe brach die Beziehung zu der starken Frau kurzerhand ab. Das hat sie zwar gegrämt, trösten aber konnte sie sich mit etlichen anderen Freunden.

Bettina von Arnim besaß, was wir heute ein Network nennen würden, also beste Beziehungen im Kulturbetrieb. Sei es zu Komponisten wie Robert Schumann, Rechtsgelehrten wie Friedrich Carl von Savigny und natürlich den romantischen Dichtern. Kein Wunder, wenn man die Schwester von Clemens Brentano und mit Achim von Arnim verheiratet ist. So richtig produktiv geworden ist Bettina aber erst nach dem Tod ihres Mannes. „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ erregte enormes Aufsehen, „Dies Buch gehört dem König“ wurde mancherorts sogar verboten, weil die sozialkritischen Attacken gegen Armut, Benachteiligung von Frauen und Diskriminierung von Juden nicht genehm waren. Immerhin, die Bundesdruckerei hat Bettina späten Respekt erwiesen und ihr Porträt auf den 5-DM-Schein gedruckt (was freilich mager ist im Vergleich zu den Brüdern Grimm, die auch dank Bettinas Hilfe Anstellungen in Berlin bekamen und auf dem 1000-DM-Schein prangten).

Am meisten erfährt man über die rührige Frau auf dem ehemaligen Landsitz der Arnims in Wiepersdorf, wenig südlich von Berlin. Dort könnte man ohnehin öfter vorbeischauen – wegen der ländlichen Ruhe als Abwechslung zum Dauerbrummen der Stadt und wegen der Kultur, die im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf ständig offeriert wird (natürlich in der Bettina-von-Arnim-Straße). Derzeit gibt es zu Bettinas 150. Todestag eine Sonderausstellung. Und von Freitag (ab 18 Uhr) bis Sonntag (17 Uhr) läuft ein Lesewochenende, bei dem man in Vorträgen, Gesprächsrunden und Lesungen einiges über Bettina erfährt.

Doch auch eine ganz anders streitbare Frau, Briefschreiberin mit Künstler-Network wie Bettina, wäre wieder zu entdecken. Zugegeben, Elisabeth Langgässers in der Nachkriegszeit weit verbreiteter Roman „Das unauslöschliche Siegel“ stellt für einen atheistisch-rationalen Gegenwartsgeschmack eine Herausforderung dar: Etliche Schichten katholischer Mystik lagern da auf den politischen Verhältnissen im Hitler-Reich – ein typisches Werk der inneren Emigration.

Interessant aber ist die Person: Ihre jüdische Herkunft hat die von den Nazis als „Halbjüdin“ geführte Langgässer offenbar so weit ausgeblendet, dass sie die Gefahr für ihre als „Volljüdin“ geltende Tochter Cordelia völlig verdrängte. Weil die Mutter mehrere Gelegenheiten versäumte, die Tochter außer Landes zu bringen, wurde Cordelia deportiert – und hat Auschwitz überlebt. Dieser ungeheuerlichen Geschichte ist die für ihre empfehlenswerten Bücher über Christa Wolf oder Anna Seghers bekannte Sonja Hilzinger nachgegangen. Ihre gerade erschienene Langgässer-Biografie stellt sie am 9.6. (20 Uhr) im Literaturhaus (Fasanenstr. 23) vor. Danach wird einem mehr zur Büchnerpreisträgerin des Jahres 1950 einfallen, als dass bis vor wenigen Jahren ein ICE „Elisabeth Langgässer“ München mit Berlin verband.

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