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Schreibwaren: Kälte und Kult

Andreas Schäfer über Strategien, das Lesen lauter zu machen

Früher war alles anders. Bücher erschienen zum Beispiel halbjährlich, nämlich im Frühjahr und im Herbst. Heute liefern die Verlage ihre Neuerscheinungen im zweimonatlichen Rhythmus aus, die ersten Herbstbücher erscheinen im Juli, die Frühjahrsbücher schon Anfang des Jahres, also jetzt. Früher war eine Lesung auch eine Lesung, also eine ziemlich karge Veranstaltung, bestehend aus dem Schriftsteller, seinem Buch und einem Fläsch chen Mineralwasser samt Glas. Heute gehört zu einer Lesung meistens mehr. Zum Beispiel der Starkult. Nachdem endlich Daniel Kehlmanns Buch „Ruhm“ erschienen ist, finden nun auch die ersten Veranstaltungen mit dem Autor statt, am Freitag, den 23. Januar, liest er um 20 Uhr im Literarischen Colloquium (Am Sandwerder 5). Oder mindestens der Diskurs. Kehlmann wird mit Sebastian Kleinschmidt und dem Journalisten Adam Soboczynski diskutieren.

Manchmal wird der Diskurs aber auch weggelassen und durch Musik ersetzt – besonders wenn die Autoren noch jung und weitgehend unbekannt sind. Zum Gitarrenklang von Michael Duszat treten am Samstag, den 24., um 21 Uhr im Roten Salon der Volksbühne unter der Überschrift „Gib deine Augen in die Wurst, Herr“ junge Autoren aus Berlin und Leipzig auf.

In seltenen Fällen und nur, wenn im Gegenteil der Starkult besonders groß ist, gibt es zur Lesung sogar den Auftritt eines ganzes Orchesters, wie am Donnerstag, den 22., um 20 Uhr im Plenarsaal der Akademie der Künste am Pariser Platz, wenn Christa Wolf aus „Kein Ort. Nirgends“ liest und dazu gleich das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Wolfgang Rihm spielt. Ach.

Es geht aber auch anders. Ohne ornamentales, stimmung- und also atmosphäremachendes Beiwerk. Im Buchhändlerkeller trägt, ebenfalls am Donnerstag (20.30 Uhr, Carmerstraße 1) der Schriftsteller Artur Becker aus seinem Roman „Wodka und Messer“ vor. Becker ist ein Mann in den besten Jahren, nach eigenen Angaben „ein polnischer Autor deutscher Sprache“. Er wird an einem simplen Pult stehen, über seinen Roman gebeugt, und von einem nach Deutschland ausgewanderten Polen lesen, der eine Reise in seine masurische Heimat macht. Sonst wird nichts passieren. Also nur das, was eine Geschichte im Kopf (und Herzen) der Zuhörer auszulösen vermag.

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