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Science Fiction: Vive la commune!

David Dalek schreibt mit "Das versteckte Sternbild" einen Science-Fiction Roman, in dem das Gute siegt, Seehunde und Waschbären den Kapitalismus abschaffen und Männer irgendwie überflüssig sind. Dietmar Dath hat ihm dabei geholfen.

Luftholen, sammeln, fester Blick, gerecktes Kinn (Trommelwirbel) und jetzt raus damit: David Dalek ist Dietmar Dath! Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die ganze ist, dass wir, das heißt Sie und ich, liebe Leser, mit dieser Nachricht nicht da sind, wo wir uns vermuten könnten: Nämlich in der Welt der Wichtig-Wichtig Verlage – sagen wir es also unumwunden: der Suhrkamp-Welt – und dem anschließenden Ökosystem feuilletonistischer Großgeister. Vielmehr bewegen wir uns (möglicherweise) in einem Paralleluniversum der wahr gewordenen Rape-and-Revenge Phantasien, in dem die Fiktionen den Aufstand proben und ihre Erfinder zur Zwangsarbeit und einem nicht besonders einträglichen Leben auf den Hinterbänken des Kulturbetriebs verpflichten. Zur Strafe. Denn, wir erinnern uns, es war Dietmar Dath, der in seinem gefeierten Dirac-Roman David Dalek am Ende in die Wüste geschickt hat, besessen von irgendeinem Ufo-Quatsch und gescheitert an seinem Projekt, eine literarischen Biographie des großen Physikers zu verfassen. Wir erinnern uns auch, dass Dietmar Dath in einem Interview David Dalek öffentlich und maliziös als "liebenswerten Versager" bezeichnet hat.

Das war gemein. Und, ja, wir sympathisieren mit den Erniedrigten und Beleidigten, mit den Aufständischen und den Rächern: Ab ins Arbeitslager mit Dietmar Dath, das diesmal den Namen Shayol-Verlag trägt, der als einschlägige Adresse und Non-Profit-Unternehmen im Science-Fiction-Underground der Republik bekannt ist. Zur Buße fürs allzu sorglose Fabulieren und den mutwilligen Versuch, die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu verwischen, musste, so das Urteil, Dath mindestens 200 Seiten Hardcore-Science-Fiction schreiben, und zwar unter dem Namen David Dalek und für fast kein Geld. Rezensionen gibt’s – anders als für seinen kurz vorher erschienenen Roman Waffenwetter – auch keine (na gut, eine). So sieht’s aus, sie haben Dietmar Dath am Arsch gekriegt. Gut so. Was kam dabei heraus?

Lernprozesse mit tödlichem Ausgang

Vor allem das Bild einer ins Weltall verlängerten und radikal-kapitalistischen Arbeits- und Ausbeutergesellschaft, in der es nichts zu verdienen gibt, weil die allgemeine Verschuldung längst die existentielle Fluchtgeschwindigkeit erreicht hat. Große Konzerne (Unilever, Mercedes 5.0) machen die Regeln in der Sternenwelt, und wer sie nicht einhält, den holt die Rayonspolizei, der wird vielleicht auch gefoltert vom Schirrrm – eine Kreuzung aus Atari-Rechner und Doktor Mengele –, oder der wird in die hirnlose Arbeitsroutine eines intelligenten Roboters verwandelt. Vorgestellt wird ein kosmisches Purgatorium, in dem die Dysfunktionalität Frevel und die Zweier-Dyade (sprich: Ehe/Freundschaft/Liebe) eine eher ökonomische Veranstaltung ist. Für das falsche Leben im Richtigen sorgt ein Superinternet, das hier Gravnetz heißt und in dem sich allerhand erleben lässt. Nur der Geist der Commune (= Sowjetkommunismus hoch zehn) geistert noch durchs Universum, der die Traderey (= Hyperkapitalismus) schon vor langer Zeit den Garaus gemacht hat. Aber neuerdings tut sich an der revolutionären Front wieder was… Das klingt arg nach Polit-Parabel, ist es wohl auch, und hat weniger mit Asimov oder Perry Rhodan zu tun als mit Alexander Kluges Lernprozesse mit tödlichem Ausgang. Allerdings mit kleineren pornographischen Einlagen und auch ansonsten mehr Phantasie in den Details. Außerdem wird – ganz genrekonform – eine richtige Geschichte erzählt voller sex and crime and Frauenpower.

Elaborierte Zufluchtsorte des Unprofitablen

Alles beginnt ganz harmlos als Affäre zweier mittlerer Angestellter in den Denkfabriken auf der Venus, gerät als amor fou schnell außer Kontrolle und kippt, nachdem eine der beiden verliebten Frauen von der Weltraumpolizei für einige Nichtigkeiten geschnappt wird, in eine aussichtslose Weltraumodyssee mit Roadmoviecharakter. Die Hauptfigur Isou muss, auf der Suche nach ihrer großen Liebe Suri Pfote, so manches Abenteuer bestehen und begegnet in den Dschungeln von Kregesch ihrem ersten Waschbär (ha, ha, von wegen Tier!), wird auf dem sattelförmigen Nordkontinent des Planeten Öophoi von Barrchiths gedemütigt, die ganz aus Musik bestehen, oder legt als High-Tech Cowboy ein illegales Kinderbordell in Schutt und Asche. Das heißt, eigentlich tun das die beiden Seehunde, die Isou auf ihrer Suche nach Suri begleiten und als Personal des Farnschiffs Schwan/Kranich (aber auch in erotischer Hinsicht!) einiges zu bieten haben. Es ist schon ein buntes Stück Kosmos, in dem sich Isou als Schmuggler und Rebell wider Willen durchschlägt, immer gejagt von der dunklen Seite der Macht, dem Imperium der Traderey und ihren Folterknechten. Darunter sogar einige Männer, die ansonsten allerdings abgeschafft wurden. So ganz ohne zunftmäßiges Wortgeklingel kommt Dath dabei nicht aus (…während die Pilotin kontinuierlich die Basen, Komponenten und Transformationsgesetze der Suchvektoren ihrer Fetch-Avatare und Sondensetzlinge korrigierte…); man kann das als Nichteingeweihter aber auch mal überlesen, so als wäre es unauffällige Filmmusik, die den seltsam funkelnden, oft irrwitzig-schönen Szenen vorausgeht. Alles in allem ein wunderbares Buch. Selten, subversiv, manchmal sinnfrei schön. Ein großer Spaß.

David Dalek: Das versteckte Sternbild. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Dietmar Dath. Shayol 2007, 202 Seiten, 14,90 Euro.

Andy Hahnemann

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