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"Trojaner": Harte microsofte Welt

Charles Macleans Internet–Thriller „Trojaner“ ist ein Abgesang auf die Sicherheit.

Sicher ist nur die Unsicherheit. Gerade im Internet, das förmlich zum Datenmissbrauch einlädt. Auch Stalker haben hier ein neues Betätigungsfeld gefunden, und so sie sich geschickt in der virtuellen Welt bewegen, wird es noch brisanter: Das Opfer weiß nicht einmal, wer der Stalker ist. In Charles Macleans Thriller „Trojaner“ lernt ein Stalker über das Internet eine britische Kunststudentin in Florenz kennen und tötet sie. Der Vater des Mädchens, Ed Lister, überlässt die Suche nicht der trägen italienischen Polizei und schaltet sich ein, als eine Bekannte seiner Tochter ihm Hinweise auf den Mörder verspricht und ebenfalls getötet wird.

Per Mail, Handy und SMS lotst der Unbekannte Ed Lister schließlich auf die Webseite „homebeforedark“, in die düstere, verstörende Internetversion eines Hauses. Dort wurde der Täter ein Vierteljahrhundert zuvor selbst Zeuge eines Mordes, nämlich dem an seinen Eltern. Der von Lister engagierte Computerexperte Campbell entdeckt schließlich zwei Leichen und den Mann, der für ihren Tod verantwortlich zu sein scheint – Ed Lister.

Charles Maclean, der früher in der Umweltbewegung aktiv war und auf einer Farm in Schottland lebt, beschreibt in seinem Thriller die Gefahren der harten microsoften Welt. Das ist nicht mehr wie früher, als einem das Knacken in der Leitung signalisierte: Feind hört mit! Es ist eine Welt, in der man Zeuge eines Mordes werden kann, ohne etwas dagegen tun zu können, weil man Hunderte von Kilometern weit weg ist. Eine Welt, in der man nicht weiß, ob die Person, mit der man gechattet hat, auch die ist, mit der man jetzt telefoniert oder mailt oder sich real trifft. Macleans „Trojaner“ bewirkt, dass man sich in der realen virtuellen Welt – ein Paradox an sich – vornimmt, beim nächsten Chat vorsichtiger zu sein oder ernsthaft über eine Verschlüsselung seiner E-Mails nachdenkt.

Charles Maclean hält die Spannung, die sich aus der permanenten Unsicherheit über das Wissen und den Vorsprung des Täters speist, lange aufrecht. Ein Problem gibt es aber doch: Am Ende möchte man nicht nur wissen, wer der Mörder ist, sondern auch: warum. Diese Frage bleibt „Trojaner“ schuldig. So ist die Erkenntnis nach der wenngleich mitreißenden, mitunter alptraumhaften Lektüre: Trau keinem außer Mutti – vielleicht.

Charles Maclean: Trojaner. Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder von der Tann. Dumont Verlag, Köln 2008.

511 Seiten, 19,90 €.

Martina Scheffler

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