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Literatur: Unter Zwischenweltlern

Dinaw Mengestu lädt „Zum Wiedersehen der Sterne“

Siebzehn Jahre sind seit seiner Flucht aus Äthiopien vergangen. Doch in all der Zeit ist es Sepha Stephanos nicht gelungen, in den USA Wurzeln zu schlagen. Er hat sich vom Hotelpagen zum Besitzer eines kleinen Gemischtwarenladens in Washington, D.C., hochgearbeitet – richtig heimisch aber fühlt er sich nicht. Viel zu oft erinnert er sich an Äthiopien.

Am heruntergekommenen Logan Square, mitten in einem Schwarzenviertel, führt er ein gleichförmiges Leben. Der Laden läuft schlecht, und genauso fühlt er sich. Seine einzigen Freunde stammen ebenfalls aus Afrika: Joseph arbeitet als Kellner in einem Restaurant und ist ähnlich unzufrieden. Kenneth hingegen ist dem amerikanischen Traum näher. Als Ärmster der drei, hat er als Ingenieur Arbeit gefunden. Ihre Freizeit verbringen die Freunde in Bars oder in Sephas Laden. Die Gespräche drehen sich meistens um die Heimat.

Sepha erklärt, dass es für ihn bequemer ist, „hier zu sein und Afrika zu vermissen, als dort zu sein und es jeden Tag zu hassen“. Dennoch fehlt ihm nach vielen Enttäuschungen die Kraft, sein Leben zu meistern, ohne zurückzuschauen. Als die weiße Akademikerin Judith mit ihrer schlauen, lesehungrigen und ein wenig vorlauten Tochter Naomi in das Viertel zieht, wird er jedoch aus seinem Trott gerissen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine bezaubernde Freundschaft: Sie tauchen in Fantasiewelten ab oder lesen gemeinsam „Die Brüder Karamasow“. Und durch die Liebe zu Naomis Mutter erhält Sepha neue Zuversicht.

In melancholischem Ton und schlichter Sprache beschreibt der 1978 im äthiopischen Addis Abeba geborene und in Chicago aufgewachsene Dinaw Mengestu die Annäherung zweier Personen aus verschiedenen Welten. Der geradlinig erzählte Roman besticht vor allem durch seine liebenswerten Charaktere. Man muss diesen Sepha Stephanos einfach mögen. „Einen Vogel, der zwischen zwei Zweigen festsitzt, erwischt es an beiden Flügeln“, denkt er, ein „Mann, der zwischen zwei Welten hängt, lebt und stirbt allein.“ Holger Günther

Dinaw Mengestu: Zum Wiedersehen der Sterne. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Volker Oldenburg. Claassen Verlag, Berlin 2009. 256 Seiten, 19,90 €.

Holger Günther

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