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Volmers Abrechnung: Einmal Fundi, immer Fundi

30 Jahre Grüne: Der frühere Parteichef Ludger Volmer sieht keinen Anlass zum Feiern. Es hat aber immer etwas Trauriges, wenn ehemals prominente Politiker einer Partei nach ihrem Ausscheiden mit alten Mitstreitern abrechnen, wie sie das als aktive Politiker nie getan haben.

Von Hans Monath

Rechtzeitig zum 30. Geburtstag der Grünen im Januar hat Ex-Parteichef Ludger Volmer nun die Geschichte der Öko-Partei aufgeschrieben. Zum Erscheinen des Buches warf der Sozialwissenschaftler seinen Parteifreunden Verrat an linken Gründungsidealen vor. Der Abschied der Grünen von den linken Ideen – gegen seinen Widerstand – habe in den 90er Jahren überhaupt erst die Westausdehnung der Linkspartei ermöglicht, lautet seine These.

Beobachter der Grünen überrascht es nicht, dass Volmer seinen alten Rivalen Joschka Fischer als die treibende Kraft hinter vielen Fehlentwicklungen ausmacht. Der Vorwurf des Verrats an der eigenen Seele ist aber nicht schlüssig. Der Autor legt auf fast 500 Seiten detailliert dar, aus welchen unterschiedlichen Denkströmungen und Milieus die Gründerväter und -mütter der Grünen Ende der 70er Jahre kamen. Die Linke war in dieser Sammlungsbewegung in der Mehrheit – allein war sie nie.

Wer wie Volmer den Grünen vorwirft, sie kümmerten sich nicht mehr um Modernisierungsverlierer, hat lange keinen Parteitag mehr besucht. Der Solidaritätsgedanke gehört in differenzierter Form, die auch Generationengerechtigkeit umfasst, noch immer zum Grundbestand grüner Identität. Das heißt aber nicht, dass etwa die Vertreter des Prekariats in den Grünen jemals ihre politische Repräsentanz gesehen hätten. Zugespitzt gesagt: Hamburg-Wilhelmsburg wählt nicht grün und hat das auch nie getan.

Volmers Problem mit seiner Partei war: Er konnte sich mit seinem eigenen Verständnis linker Politik zuletzt immer weniger durchsetzen. Volmers Problem mit seinem Buch ist: Er schwankt ständig, ob er als Chronist die Geschichte der Grünen nachzeichnen oder seine ganz subjektive Sicht liefern soll. Erst die Grünen haben bekanntlich das Thema Ökologie in die Politik gebracht und mit Frauenquote und Ansätzen direkter Demokratie auch das Parteiensystem verändert. Sie haben die Protestgeneration aus der Verweigerung in die Verantwortung geführt und erreicht, dass sich wesentliche Teile der demokratischen Linken den Anforderungen deutscher Außenpolitik nach dem Ende der Blockkonfrontation heute stellen. Richtig ist auch: Die Grünen haben sich in 30 Jahren selbst verändert. Ob es sich bei diesem Wandlungsprozess um Verrat handelt, sollte man vielleicht die 10,7 Prozent der Wähler fragen, die bei der Bundestagswahl für diese Partei gestimmt haben – mehr als je zuvor.

Weil Volmer sich nicht entscheiden kann zwischen der großen politischen Perspektive auf die Grünen und der kleinen Innenperspektive des Akteurs, liefert er einen mit Daten und Namen gespickten, semipersönlichen Durchgang durch die Historie der Grünen, der oft zu weitschweifend geraten ist. Zugleich schreibt ein Gekränkter: Immer wieder geschieht dem Grünen-Politiker von parteiinternen Gegnern oder von der Presse Unrecht, hören andere Vertreter der Öko-Partei nicht auf seinen guten Rat.

Tatsächlich beraubte sich Volmer selbst eines wichtigen Teils seines Einflusses in der Partei, als er 1998 das Amt eines Staatsministers im Auswärtigen Amt übernahm. Den von ihm vertretenen linken Parteiflügel überzeugte er nämlich nicht von jenen eher realpolitischen Erwägungen, nach denen er im neuen Amt handelte (und in dem er übrigens auch Ideen der Friedensbewegung in die Strukturen deutscher Außenpolitik einbaute). Joschka Fischer nahm ihm das gehörig übel. Schon nach vier Jahren war Volmer den Job 2002 schon wieder los.

Es ist sicher richtig, dass Volmer im Zusammenhang mit dem Visa-Untersuchungsausschuss von wichtigen Medien als linker Ideologe karikiert und für vermeintlich schlimme Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht wurde, die ihm nie zuzurechnen waren. Als ihm fälschlicherweise wegen einer Nebentätigkeit auch noch Korruption vorgeworfen wurde, war die politische Karriere des einstmals so einflussreichen NRW-Bundestagsabgeordneten schnell zu Ende.

Die eigene Partei rückte im Wahlkampfjahr 2005 von ihm ab. Doch sind daran allein die Realpolitiker der Grünen oder gar die Journalisten schuld? Die Wahrheit lautet wohl, dass Volmer ein wichtiger Grünen-Vertreter war, der scharf analysieren und hinter den Kulissen Strippen ziehen konnte, dem aber mit dem Fortschreiten der Mediendemokratie schlicht Kommunikationsgeschick und Charisma fehlten und der in der Politik deshalb vor allem an sich selbst scheiterte. Wer sich dafür interessiert, warum ein linker Grüner der ersten Stunden nach 30 Jahren mit seiner eigenen Partei hadert, der ist mit diesem Buch allerdings gut bedient.

– Ludger Volmer: Die Grünen. Von der Protestpartei zur etablierten Partei. Eine Bilanz. C. Bertelsmann, München 2009.

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