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Literaturfestival Berlin: Die Beduinen überfallen die Stadt

Heute beginnt das 9. Internationale Literaturfestival Berlin. Im Fokus steht die Arabische Welt. Ein Prosagedicht des irakischen Schriftstellers Ali Bader.

I

Kein Wort sprachen wir angesichts der heranstürmenden Beduinen. Die Pferde flogen durch die Luft, die Kissen schwebten auf den Diwanen, die Araber raunten den Sklavinnen ein paar Worte zu, und die taten, als glaubten sie ihnen. Die Beduinen störten niemand, und in ihren Paradiesen und Bädern flüsterten zu ihnen die Ventilatoren.

II

Die Beduinen kommen zum Feuer und ertrinken in Lobgesängen. Der Bräutigam stürzt sich in den Tanz, seine Leute halten ihn fest, denn er ist schwer bewaffnet. Beim Bergesgipfel Terroristen, die auf Pferden vorrücken. Die Nacht verbringen sie dort. Ihr macht die Vorstellung Angst, von ihren Händen zu sterben, dass ihr junger Körper von ihnen zerfetzt wird mit Messern.

III

Die Beduinen sitzen auf kleinen Rossen, in den bestickten Gürteln Messer mit kurzen Klingen. Morgens erscheinen im Hof die Gefangenen. Tausend Soldaten mit nackten Oberkörpern – tausend Beduinen in ihren Burnussen. Beduinen, entschlossen, einen andern Ort als den ihren zu finden – um dort das Opfer am Kopf zu packen.

IV

Wie ein Skorpion spritze ich Blut aus der Nase. Gift tritt hervor mit dem Feuer des Tags, du bist der Erste, den ich treffe. Mein Speer ist schon unterwegs. Skorpionenschwänze sollen dich erwischen, Feuer dich fortreißen … Jede Nacht ist flinker als der Tag.

V

Beduinenhuren, die aus der Wüste kommen … Von der Nacht wird viel Arbeit verlangt, aus der Wüste kommen die Abendkellner, an sich gedrückt die Kühle der Nacht und den Duft der Frauen. Die weite Nacht kriecht aus der Bar … Die weite Nacht kriecht von den Tischen, und am Ende arbeitet die Beduinin im Bett ... Und der Kellner, der eine weiße Weste trägt, legt seinen Kopf auf den Tisch.

VI

Sie verbrachte die Nacht bei den Nomadenzelten, da sind die Sandalen der Beduinen im Sand, die Sättel ihrer Pferde, ihre Stöcke, da ist ihre Nacht, die zwei weiße Augen auf das Zelt der Beduininnen richtet, die rings ums Feuer sitzen; die Beduinen schluchzen unterm weißen Moskitonetz, und auf dem ehrwürdigen Diwan legen sie sich Kissen unter den Kopf, da ist sie, nackt im Zelt. Sie sieht den Beduinen zu, wie sie unter die Wüste hinabsteigen, um den Frühling zu feiern mit der Ameisenkönigin.

VII

Das Haus der Städter ist wie ein Sarg, den die Beduinen rauben und in dem sie schlafen, dort tanzt eine Fontäne aus blauen Diamanten und Silberringen; die Beduinen sind die letzten Paschas, die auf ihren Balkonen vor einer schwarzen Tür träumen, sie seien die ersten Ahnen und die letzten, die von einem verflossenen Zeitalter sprechen, von den Kranichen des Abends, von einer letzten Wasserpfeife, von einem Städter, bei der Türschwelle begraben; und seine Sklavinnen sitzen zu ihren Füßen, wenn sie ihre geraubten Kleider ausziehen und ihr nächtliches Ziel verfolgen.

VIII

Wir sind die Stämme, die grob sind zu Blumen ... und nett zu Kamelen und Schafen, wir sind die Stämme, die oft ohne Hinterlist heulen, wir heulen angesichts der diebischen Freunde, wir sind die Stämme, die das Unglück mit ihrem Tod stören … Wir fasten … Wir zeichnen militärische Kreise auf den Weg, saugen an verhüllten Brüsten und lüsternen Huris.

IX

Die Beduinen sehen mit Trauer auf diese Welt, die fern von ihnen dahintreibt; da, sie legen ihre Ohrringe an, während sie sie betrachten … Sie legen Ohrringe an, trinken geronnene Milch und wischen sich über den Schnurrbart. Sie legen Ohrringe an und küssen den Touristen die Füße.

X

Wir stiegen aus großen Bussen auf den Platz, wo man Büffellebern verkauft. Dies sind die Spuren der Verkäufer auf dem Boden, die Spuren ihrer Tüten, ihres Blutes, ihres Dungs, ihrer Eierschalen, ihrer Brotkrumen, ihrer Teereste … Dies ist der nahegelegene Schlachthof … Zwei Beduininnen gelüstet es nach dem Gemächt des Stiers, das von dem Kadaver herabhängt. Die eine isst eine dünne Gurke … Die andere kratzt sich am Hintern.

XI

Die Beduinenfrauen schleppen Fischkörbe und gehen am hellen Tag auf den Markt, sie füllen Tonkrüge mit den Lebensmitteln des Hauses und ausgepresstem Olivenöl, tragen Hohlmaße, die man mit einer Hand nicht stemmen kann, und ziehen über den Markt ohne Dirham und Dinar. Die Beduinenfrauen … lassen die leeren Körbe dort und tragen an ihren Körpern den wilden Duft, der den Gliedern der Soldaten entströmt.

Ali Bader, 1964 in Bagdad geboren, lebt heute im jordanischen Amman. Nachdem er in beiden Golfkriegen als Soldat gedient hatte, studierte er in Bagdad westliche Philosophie und französische Literatur. Als Autor von neun Romanen (u. a. „Papa Sartre, 2001), mehreren Essaysammlungen und zwei Gedichtbänden hat er sich in der ganzen arabischen Welt einen Namen als scharfzüngiger Autor gemacht. Wir entnehmen seinen von Christine Battermann aus dem Arabischen übersetzten Text der mehrsprachigen „Berliner Anthologie“ (Verlag Vorwerk 8, Berlin 2009, 208 Seiten, 10 €), die unter dem Titel „Wenn ohne Grund die Nacht schön ist“ zum Festival erscheint.

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