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Literaturkritik: Gammelhai und Brennivin

Alva Gehrmann beschreibt in ihrem Buch „Alles ganz isi“ die Isländer mit viel Kenntnis und Humor.

Das größte Problem ist möglicherweise der Hákarl, der Gammelhai. Sechs Wochen in einer Holzkiste gelagert, anschließend luftgetrocknet, verströmt diese traditionelle isländische Spezialität einen ammoniakartigen Geruch und ist für Auswärtige, wenn überhaupt, wohl nur unter großen Mühen herunterzubekommen. Die Isländer schütten dem Gammelhai einen Branntwein hinterher, der den Beinamen Brennivin = „Schwarzer Tod“ trägt. Es gibt Menschen, die behaupten, man verköstige den Hai nur, um den Schnaps trinken zu dürfen.

Wir haben eine recht diffuse Vorstellung von den Isländern mit ihren Vulkanen, die uns immerhin ab und an einen Ausfall des kompletten Flugverkehrs schenken, ihren Geysiren und ihren Eigenheiten und Marotten. Nach der Lektüre des Buches der Berliner Journalistin Alva Gehrmann, die mehrere Monate des Jahres auf Island verbringt, ahnt man: Unsere Vorstellungen sind von der Wirklichkeit nicht allzu weit entfernt, und das ist gar nicht weiter schlimm. Im Gegenteil – auf höchst liebenswerte und unprätentiöse Weise scheinen die Isländer in großer Zufriedenheit ihr Eigenleben zu führen.

Das hat wohl auch mit der geografischen Lage zu tun. Man müsse, so Gehrmann, sich einmal vorstellen, die Stadt Bielefeld sei eine Insel, weit weg von allen anderen, in der sich auf einer Fläche der Gesamtgröße von Bayern und Baden-Württemberg in Jahrtausenden eine eigene Sprache und Kultur entwickelt hat. Das erklärt einiges. Zum Beispiel den Umstand, dass die Bewohner der Hauptstadt sich einen Komiker und Ex-Punk zum Bürgermeister wählen, dessen Wahlversprechen unter anderem darin besteht, im Schwimmbad kostenlose Handtücher einzuführen. Oder die Selbstverständlichkeit, mit der alle sich duzen, weil sie ohnehin verwandt oder gut bekannt miteinander sind. Oder dass man in Krisenzeiten bei einer Außentemperatur von zehn Grad erst einmal in das nicht wärmere Meer springt, um zu sich zu kommen.

Gehrmann beschreibt Island mit Humor, aber nicht als einen Zoo possierlicher Tierchen. Sie nimmt die Isländer ernst und bestaunt in kurzen Kapiteln ihre Verbundenheit zur Natur, ihre Flexibilität und Improvisationsfähigkeit, ihre Kreativität. Und nicht zuletzt ihren Humor. Von dem bekommt dann eben auch dieses Buch etwas ab. Christoph Schröder

Alva Gehrmann:

Alles ganz Isi. Isländische Lebenskunst für Anfänger und Fortgeschrittene. dtv premium, München 2011.256 S., 14,90 €.

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