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Literaturkritik: Militante Provinz des Pop

Die Welt ist ein Metalriff: Der Braunschweiger Schriftsteller Frank Schäfer erzählt Heavy-Metal-Stories, die gleichzeitig Coming-of-Age-Geschichten sind.

Der Heavy Metal und seine verschiedenen Spielarten wie Speed Metal, Thrash Metal oder Doom Metal sind die ungeliebten Stiefkinder im Kulturressort Pop. Diese Musik hat zwar seit Jahrzehnten enorm viele Anhänger – in der Öffentlichkeit oder gar in den Feuilletons aber merkt man davon kaum etwas, auch nicht in Städten wie Berlin, Hamburg oder Köln. Techno oder Dubstep, Rihanna oder Lady Gaga, selbst handelsüblicher Rock geben diskursiv mehr her, haben den höheren Glamfaktor und versprechen mehr Distinktionsgewinn. Umso mutiger erscheint es da zunächst, wenn ein Schriftsteller gleich ein ganzes Buch mit Metal-Geschichten füllt und dieses gleich noch schön insiderisch „Metal Störies“ nennt, mit dem bei Metal-Bands beliebten Umlaut im Titel, wie Motörhead oder Mötley Crüe.

Kennt man jedoch die Vita von Frank Schäfer, der 1966 geboren wurde und in Braunschweig lebt, dann ist die Veröffentlichung dieses Buches vor allem konsequent. Schäfer ist nicht nur seit seiner Jugend Metal-Fan, er spielte nicht nur selbst in einer Metal-Band namens Salem’s Law, sondern er veröffentlichte auch schon diverse Bücher zum Thema, zum Beispiel „111 Gründe, Metal zu lieben“ oder „Die Welt ist eine Scheibe“, ein sogenannter Rockroman, in dem Metal und die Begeisterung für diesen Sound eine wesentliche Rolle spielen. Schäfer benennt als eine der hervorstechendsten Eigenschaften der Metal-Gemeinde „diese wohltätige, an Mitgefühl grenzende Loyalität, ja, Nibelungentreue“. Das schätzt er über die Maßen, das gilt höchstwahrscheinlich auch für ihn selbst, und so lassen sich seine Geschichten natürlich auch als Fangeschichten lesen. Diese drehen sich um Konzertbesuche, um die Musik bestimmter Bands, um die ersten eigenen musikalischen Gehversuche. Oder wie er als dann schon gestandener „Rolling-Stone“-Schreiber eines Tages in Los Angeles die Band Type O-Negative interviewen darf.

Bemerkenswerter an diesen „Metal Störies“ ist, dass sie häufig über das reine Fantum hinausgehen und vom Aufwachsen und Leben in der niedersächsischen Provinz erzählen. Von Fahrten im ersten Opel Kadett, in dem auf BASF-Chromdioxid-II-Kassetten Thin Lizzy oder AC/DC gehört wird, von Abiturabschlussfeiern auf dem Land, von Besuchen in Braunschweigs Rockschuppen „Panopticum“, kurz „Pano“ genannt, und den gefährlichen nächtlichen Fahrten zurück in die Dörfer. Heavy Metal, weiß Frank Schäfer, ist „die militante Provinz im Pop mithin. In Berlin gibt es keine Metal-Szene, die den Namen verdient. Man muss schon nach Dortmund, Essen, Oberhausen, Wolfsburg oder Braunschweig fahren, dahin also, wo die Neue Berliner Mitte herkommt, um jenen sehr jungen Menschen, Kindern fast, zu begegnen, die aussehen, als hätte man sie Anfang der Achtziger schockgefrostet und eben gerade aufgetaut, nur mal so zur Probe, um zu sehen, ob da noch Leben drin ist.“

So ganz traut Schäfer der Langlebigkeit des Genres nicht über den Weg; nicht zuletzt verweist der Metal von heute auf eine verlorene Zeit. Dieses Buch jedoch, das ist sicher, steckt voller Metal-Leben. Schäfers Sprache ist manchmal dem Gegenstand entsprechend kraftmeierisch, zumeist aber in klassischer Short-Story-Manier schlicht und lakonisch. Störend ist allein ein zuweilen übertriebener Gebrauch von Fremdwörtern, so als wolle Schäfer, der über Lichtenberg und das Judentum in Braunschweig promoviert hat, sein Fantum kaschieren. Was unnötig ist: Popdiskursive Distanz und auch Selbstironie stecken in vielen dieser Geschichten. Am Ende beschwört Schäfer Leser und Metal-Fans: „Please stay in touch!“ Dass er das selbst tut, steht außer Frage.

Frank Schäfer: Metal Störies. Metrolit, Berlin 2013. 152 Seiten, 16,99 €.

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