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Wer bekommt den Nobelpreis für Literatur?

© dpa/Berit Roald

Nobelpreis für Literatur: Die Jury macht sowieso, was sie will

Svetlana Alexijewitsch ist die Favoritin in den Wettbüros, auch noch am Donnerstagmorgen. Aber was heißt das schon? Und wie wird überhaupt entschieden, wer den Literaturnobelpreis bekommt? Heute um 13 Uhr ist es wieder soweit.

Ach, was wird es am heutigen Donnerstag wieder für Aaaahs und Ooohs, für entsetzte „Was für eine Fehlentscheidung!“-Ausrufe oder Begeisterungsstürme geben! Es ist Nobelpreiswoche und Literaturnobelpreiszeit, und aller Voraussicht nach werden auch dieses Jahr weder die weißrussische Autorin Svetlana Alexijewitsch noch Philip Roth die mit acht Millionen Kronen (etwa 850 000 Euro) dotiert Auszeichnung bekommen. Sie ist die Favoritin bei den Buchmachern, was selten gut geht, er seit einer halben Ewigkeit einer der obersten Anwärter, hat aber das Schreiben aufgegeben – klar, dass beide es nicht werden. Oder vielleicht doch?

Am schönsten, aufregendsten an den Literaturnobelpreisvergaben sind die Tage zuvor. Da wird allüberall diskutiert, wer den Preis diesmal erhält, da fallen immer wieder dieselben Namen von Haruki Murakami über Peter Handke bis zu Bob Dylan, von Joyce Carol Oates über Lydia Davis und Sofi Oksanen bis zu Vea Kaiser (nein, stopp, die Nennung letzterer Autorin ist natürlich ein Witz), da erwartet man von der Jury politische Entscheidungen, dann wieder rein literarische. Die Diskussionen enden immer mit einem Eingeständnis: Wir wissen es nicht. Ist doch alles Spekulation – die Jury in Stockholm macht sowieso, was sie will. Aber was weiß die 18-köpfige Jury um die neue Ständige Sekretärin Sara Danius? Und wie entscheidet sie überhaupt?

Einblick erst in 50 Jahren

Jedes Jahr bekommt sie eine Liste mit Kandidaten, die wiederum von 600 bis 700 ausgewählten Personen und Institutionen vorgeschlagen werden, zumeist sind das knapp über 200 Literaturnobelpreisvorschläge. Danach wählt die Jury aus, filtert erst 20 Namen und dann für eine Shortlist die letzten fünf, sechs Autorinnen und Autoren, die schließlich im Mai jedes Jahres diskutiert und deren Werke den Sommer über noch einmal von allen 18 Jurymitgliedern genau geprüft und gelesen werden. Eine weitere Diskussion folgt, und schließlich bekommt ein Schriftsteller oder eine Schriftstellerin die welthöchste literarische Weihe.

Sara Danius, schwedische Literaturwissenschaftlerin und ständige Sekretärin der schwedischen Jury für den Literaturnobelpreis
Sara Danius, schwedische Literaturwissenschaftlerin und ständige Sekretärin der schwedischen Jury für den Literaturnobelpreis

© Helena Paulin-Strömberg/Swedish Academy/dpa

Wer jedoch auf den Listen steht, wer in die engere Wahl kommt, das bleibt geheim und wird erst nach 50 Jahren bekanntgegeben. Und so kann man sich auf der Website des Nobelpreiskomitees (www.nobelprize.org) gerade anschauen, wer 1964 und die Jahre zuvor im Rennen war. Als zum Beispiel Jean-Paul Sartre 1964 den Preis bekam, den er bekanntlich nicht annahm, war er bereits von 1957 an jährlich nominiert. Am Ende setzte er sich knapp gegen den sowjetischen Autor Mikhail Sholokhov durch, der dann gleich im Jahr darauf gewann. Auch in der engeren Auswahl 1964: Samuel Beckett, Eugène Ionesco, Junichiro Tanizaki und W. H. Auden. Beckett bekam den Literaturnobelpreis 1969, die anderen gingen stets leer aus. Wer jedoch liest heute noch die Bücher von Mikhail Sholokhov?

Und was bedeutet das alles wiederum für Svetlana Alexijewitsch und Philip Roth? In 50 Jahren wissen wir es.

Letzte Meldung: Am Donnerstagmorgen liegt die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch (67) auf der Liste des Wettbüros Ladbrokes immer noch vorn, vor dem Japaner Haruki Murakami (66) und dem Kenianer Ngugi Wa Thiong'o (77). Glauben die Nobel-Wettfans, nach Patrick Modiano im Vorjahr sei wieder mal eine Frau dran? Um 13 Uhr ist es soweit, dann wird der Preisträger in Stockholm bekanntgegeben.

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