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Liu Xia im Juli bei der Seebestattung ihres Mannes, des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo.

© dpa

Liu Xia: Schuldig ohne Anklage

Liu Xia, Witwe des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, wird von Chinas Staatsführung abgeschottet. Jetzt hat sie ein Gedicht nach außen geschmuggelt.

Die chinesische Dichterin, Fotografin und Malerin Liu Xia hat sich mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit gewandt. Seit dem Tod ihres Mannes, des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, im Juli dieses Jahres, wird sie von der Außenwelt abgeschottet. Ein Gedicht, das sie an die in Berlin lebende Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller geschickt hat, ist nun ihr erstes Lebenszeichen. „Zu einsam / Ich habe nicht das Recht zu sprechen / Laut zu sprechen / Ich lebe wie eine Pflanze / Ich lüge wie eine Leiche“, heißt es darin. Der Gesundheitszustand der 56-jährigen Menschenrechtsaktivistin gilt als schlecht, sie soll an Herzproblemen und Depressionen leiden. Schriftsteller wie Philip Roth, J. M. Coetzee und Anne Tyler sowie der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel haben sich bislang vergeblich für ihre Ausreise eingesetzt.

Veröffentlicht wurde Lius Brief von dem im Berliner Exil lebenden Schriftsteller Liao Yiwu, der ein Foto davon auf seinem Facebook-Account postete. „Ich teile ihre Worte in der Hoffnung, damit westliche Regierungen zu bewegen, mit der chinesischen Regierung über ihre Situation zu sprechen und zu erreichen, dass sie so schnell wie möglich gehen kann“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Den Brief habe die Künstlerin „vor Kurzem“ geschickt, wie es ihr gelang, ihn an ihren Aufpassern vorbeizuschmuggeln, wollte Liao nicht verraten.

Ein Veteran von Tiananmen

Liu Xiaobo, ein Veteran der Studentenproteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking von 1989, war inhaftiert worden, nachdem er die „Charta 08“ mitformuliert hatte, ein Manifest, das Reformen in China fordert. Als er 2010 den Nobelpreis erhielt, wurde auch seine Ehefrau Liu Xia zur Gefangenen. Der Hausarrest, den die Behörden über sie verhängten, gilt bis heute. Eine Anklage ist bislang nicht erhoben worden.

Darin zeigt sich auch die Hilflosigkeit des Regimes, denn die Witwe hat kein Gesetz gebrochen. De facto wirft man ihr nur vor, mit dem falschen Mann verheiratet gewesen zu sein, einem Dissidenten, der wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Zuletzt gesehen worden ist Liu Xia bei der Trauerfeier für ihren Mann, einer von der Staatssicherheit inszenierten Seebestattung.

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