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Kultur: Lizenz zum Gelddrucken

Ein NACHGUSS von Nicola Kuhn

Eigentlich hätte es das letzte Kapitel einer wenn auch komplizierten Erfolgsgeschichte werden müssen. Nach dreißig Jahren Planung ist der letzte Akt vollbracht: die gestrige Einweihung des Arp-Museums im strahlend weißen Neubau des amerikanischen Stararchitekten Richard Meier durch die Bundeskanzlerin. Doch die alten Geschichten wollen nicht ruhen, und so war die herrliche Aussicht vom Bahnhof Rolandseck hinunter ins Rheintal nicht nur durch die herbstliche Diesigkeit getrübt. Denn just in dem Moment, wo der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck die Realisierung des ehrgeizigsten Kulturprojektes seines Landes nur preisen wollte, werden erneut Vorwürfe um falsche Duplikate und unsaubere Nachgüsse von Arp-Skulpturen laut. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich die Arp-Stiftung, der private Museumsträgerverein, die rechtliche Auseinandersetzung mit seinen Kritikern in den vergangenen Jahren 150 000 Euro kosten ließ, um einstweilige Verfügungen zu erstreiten. Die Rechnung beglich das Land – der Ministerpräsident sieht darin „nichts Kritikwürdiges“, die CDU dagegen einen Angriff auf das Presserecht. Am Dienstag nun will sich die Landesregierung erklären, der Ruf des Arp-Museums aber ist in seiner Eröffnungswoche lädiert.

Wie nun ist die Arp-Sammlung einzuschätzen, die der im Vorjahr als Retter in der Not geholte Museumsdoyen Klaus Gallwitz als neuer Direktor allein im Obergeschoss des Neubaus präsentiert? In der Eröffnungsausstellung sind vornehmlich Papierarbeiten und Reliefs zu sehen, kaum Skulpturen, die jedoch korrekt als posthume Güsse ausgezeichnet sind. Gerade daran aber hatten sich die Arp-Stiftung und der Gallwitz-Vorgänger Raimund Stecker zerrieben, der auf Provenienzklärung bestand. Bis heute ist nicht ganz zu klären, was nun Künstlerwille ist und wo die Begehrlichkeiten der Stiftung beginnen, die den Nachlass erst multiplizieren und dann versilbern kann. Belegt ist nur die Erlaubnis der mittlerweile ebenfalls verstorbenen Arp- Witwe. Zu Lebzeiten ihres Mannes hatte das Geld für die teuren Bronzen gefehlt, überliefert sind von ihm nur die Gipse. Solche Nachgüsse sind eine Lizenz zum Gelddrucken, bei der man leicht den Überblick verlieren kann. Das Land Rheinland-Pfalz etwa soll acht solcher Reproduktionen Mitte der neunziger Jahre an den Verein zurückgegeben haben, da es an präzisen Papieren fehlte.

Der Fall Arp ist nur ein Beispiel, zu dem es in der jüngeren Kunstgeschichte zahllose Parallelen gibt. Die gleiche Problematik kennt man auch bei Nachgüssen von Wilhelm Lehmbruck oder Hans Barlach, ähnlich liegt der Fall bei den Nachdrucken von Grafiken eines Salvador Dali oder Victor Vasarely. Meist steckt dahinter eine Nachlassverwaltung, der es für diese oder jene Stiftungsaufgabe gerade an Geld fehlt. Das wäre nicht weiter tragisch, würde es um beliebig vervielfältigbare Produkte gehen. Arp, Lehmbruck, Barlach haben aber ihre Skulpturen gerade nicht für die „technische Reproduzierbarkeit“ angelegt. Genau das sucht der Museumsbesucher auch in ihrem Werk: das Einmalige. Ausgerechnet von der Arp-Stiftung wird es verschenkt.

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