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Kultur: Löwe mit weißer Weste

Zum 75. Geburtstag des Schauspielers Mario Adorf

Er war, bald fünfzig Jahre ist das her, der debile Massenmörder Bruno in Robert Siodmaks Film „Nachts, wenn der Teufel kam“. Der massige Typ mit dem eigentlich viel zu großen Kopf, den tief liegenden Augen und den aufgeworfenen Lippen – das war, nach eher bescheidenen Anfängen, seine erste große Filmrolle. Sie machte ihn zum Star und eröffnete ihm eine internationale Karriere, wie sie außer Mario Adorf allenfalls Klaus Kinski gelungen ist. Während Kinski sich weiter von Werner Herzog im peruanischen Urwald quälen ließ, verließ Adorf wütend die Dreharbeiten des Films „Fitzcarraldo“, weil er nicht ertrug, wie Herzog mit den Indianern umging. Aber das war schon Anfang der Achtzigerjahre, als SuperMario sich seine Rollen längst aussuchen und selbst Coppola einen Korb geben konnte, weil ihm die Rolle neben Marlon Brando im „Paten“ als zu klein erschien.

Geboren in Zürich als uneheliches Kind eines italienischen Chrirurgen und einer deutschen Röntgenassistentin, hatte er keine leichte Kindheit. Mayen in der Eifel, so tief in der Provinz wie hoffnungslos katholisch, wo er zur Schule ging und das Abitur machte, war in jenen Jahren nicht gerade der ideale Ort für ein Kind so zweifelhafter Herkunft und für eine allein stehende Mutter, die er ihrer Tapferkeit wegen verehrt hat und die alle seine Drehbücher las, bis zum Tod der 92-Jährigen vor einem Dutzend Jahren. Auf Mayen war Mainz gefolgt, wo er ein Studium der Philosophie, Musik und Theaterwissenschaft abbrach, als er erste kleine Rollen zu spielen bekam.

In rund hundert Filmen fürs Kino und fürs Fernsehen hat er gespielt, in den Sechzigerjahren vor allem in Italien, wo sich der sprachbegabte Adorf – er spricht seine Rollen auch in italienischen, amerikanischen und französischen Filmen selbst – niederließ. Er spielte in einigen Spaghetti-Western, dann aber auch komische Rollen und 1973 in Vancinis „Die Ermordung Matteottis“ den Duce Benito Mussolini, der ihm ins bullige Gesicht geschrieben schien. Wolfgang Staudte holte ihn für „Die Herren mit der weißen Weste“ als Box-Promoter nach Deutschland zurück, Volker Schlöndorff als Kommissar Beizmenne zur „Verlorenen Ehre der Katharina Blum“ und als Vater Matzerath in die „Blechtrommel“. Und Fassbinder machte ihn zum Baulöwen an der Seite von Armin Mueller-Stahl und Barbara Sukowa in „Lola“, durchtrieben, bauernschlau, mafios, erfolgsorientiert. So ähnlich sind dann viele Rollen angelegt, die Adorf im deutschen Fernsehen übernimmt, ob als Sägemüller Lauretz in „Via Mala“, als Kaufhauskönig im Mehrteiler „Der große Bellheim“, als Gangster-Pate im fünfteiligen „Schattenmann“ oder in Kinoproduktionen als italienischer Restaurantbesitzer in Köln – „Pizza Colonia“ – oder in München – „Rossini“.

Unterdessen hat Mario Adorf auch als Schriftsteller Erfolge zu verzeichnen mit seinen Erzählbänden „Der Mäusetöter“, „Der Dieb von Trastevere“, „Der Fenstersturz“ oder „Der römische Schneeball“. Lesereisen ohne Zahl sind für ihn geradezu Erholungsreisen. Zu seinem 75. Geburtstag hat er sich jetzt den großformatigen Band „Bilder meines Lebens“ geschenkt – mit amüsanten Erinnerungen an 50 Jahre Film- und Fernsehgeschichte (Kiepenheuer & Witsch, 160 S., 24,90 €).

Aber auch auf der Bühne sieht er immer noch so aus, als sei das Theater für ihn eine Erfrischungskur. Genau zu seinem heutigen Geburtstag startet er eine kleine Tournee, die ihn von München aus nach Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Berlin und Mainz führt. Wer verhindert ist, für den gibt es einen kleinen Trost. Vor etwa einem Jahr war Adorf am Berliner Renaissance-Theater zu sehen, als nobelpreisgekrönter Schriftsteller in Eric-Emmanuel Schmitts Zweipersonenstück „Enigma“ unter der Regie von Volker Schlöndorff. Der hat jetzt Stück und Freund fürs Fernsehen inszeniert. „Enigma“ wird heute um 21.45 Uhr in der ARD gezeigt.

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