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Kultur: Look und Trug

Real, fiktiv? Eine Schau in der Villa Schöningen.

Der Blick aus den Fenstern der Villa Schöningen auf die Havellandschaft ist schwindelerregend idyllisch. Zurzeit kann den Besucher aber auch drin der Schwindel erfassen. Eine Op-Art-Tapete aus schwarzweißen Kreisen bedeckt die obere Etage, in der Kurator, Designtheoretiker und Architekt Friedrich von Borries seine Ausstellung „Realität und Fiktion“ präsentiert (Berliner Str. 86, Potsdam, bis 1.9., Do/Fr 11–18 Uhr, Sa/So 10–18 Uhr). Die flimmernden Wände sollen von einem Künstler namens Mikael Mikael stammen – ob es den Mann überhaupt gibt? Borries geht davon aus, dass die Realität nur in unserer Vorstellung existiert. Da darf ein Thomas Demand im Kreise von Künstler wie der Aktionsgruppe The Yes Men, Julian Rosefeldt oder Jeremy Deller nicht fehlen. Er hat jenen Abendessenstisch nachgebastelt und abfotografiert, an dem Whitney Houston kurz vor ihrem Tod saß. Doch das scheinbar dokumentarische Motiv erzählt weder etwas über die Todesumstände noch über die Sängerin. Der Däne Jakob Boeskov wiederum schaffte es mit seinem „ID Sniper“-Gewehr, das dem Feind angeblich einen Mikrochip unter die Haut jagen kann, bis auf eine chinesische Waffenmesse und narrte die Rüstungsbranche. Beate Gütschow montiert verschiedene Ebenen analoger Landschaftsfotografie zu einem Bild. Ihre Vorbild ist ein Barockmaler: Claude Lorrain kultivierte die ideale Landschaft, harmonisierte Proportionen. So stößt die sehr gegenwärtige, politische Ausstellung auf kunsthistorische Fragen der Idealisierung, die bis in die Antike zurückreichen. Anna Pataczek

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