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Auf Droge? Filmstill aus Loretta Fahrenholz' Film "Two A.M."

© Loretta Fahrenholz/Galerie Buchholz

Loretta Fahrenholz in der Galerie Buchholz: Sprung in die Gegenwart

Wenn die Welt aus den Fugen gerät: Die Filmkünstlerin Loretta Fahrenholz präsentiert ihre Umsetzung des Keun-Romans "Nach Mitternacht".

Die Galerie Buchholz präsentiert in ihren Räumen das Werk von Loretta Fahrenholz mit einer Einzelausstellung, die schon einmal einstimmt auf die Documenta in diesem Sommer, denn die Filmkünstlerin soll zu den Teilnehmern gehören. Die in Berlin und New York lebende 26-Jährige arbeitet mit sowohl mit filmischen wie fotografischen Mitteln, dabei vermischt sie Elemente des Dokumentarfilms mit experimentellen Formen.

Die Ausstellung in der Galerie Buchholz präsentiert als Kernstück den Film „Two A.M.“, der bereits 2016 im Fridericianum Kassel und dem Stedelijk Museum Amsterdam zu sehen war. Der 40-minütige dystopische Film basiert auf dem 1937 erschienenem Exilroman „Nach Mitternacht“ von Irmgard Keun, in dem Autorin über eine zweitägige Beobachtung der 19-jährigen Sanna den Aufstieg der Nationalsozialisten beschreibt. „Das Schlimme ist, dass ich gar nicht verstehe, was eigentlich los ist, ich hab jetzt nur allmählich raus, wo man sich in acht zu nehmen hat.”, realisiert Sanna.

In der künstlerischen Umsetzung des Romans durch Fahrenholz hat sich die im 21. Jahrhundert angekommene Hauptfigur Sanna mit der Existenz der informationssaugenden "Watchers", die mit ihren telepathischen Fähigkeiten Gedanken lesen können, leidig abgefunden. Der Blick der "Watchers" wird durch eingebaute unscharfe Bilder von Überwachungskameras immer wieder verdeutlicht. Die jungen selbstzentrierten Protagonisten des Films wirken gelangweilt und gefühllos, sie versuchen der Überwachung, der inneren Leere und Entfremdung durch exzessiven Drogenkonsum zu entkommen. Durch das Schwelgen in den eigenen Problemen haben sie den Blick für ihre Umwelt und die sich anbahnende Katastrophe verloren. Dumpfe Farben, automatisierte Stimmen und ein Dröhnen im Hintergrund verstärken die Untergangsstimmung.

Den Film ergänzen ebenfalls ausgestellte Dokumente, Fotos und Materialien, die sowohl den Bezug zu Irmgard Keuns Roman aufzeigen als auch den Entstehungsprozess der Künstlerarbeit dokumentieren.

Erweitert wird die Ausstellung durch zwei neuere Arbeiten der Künstlerin. Die Videoinstallation „Slit-scan X10 1-6“, die gemeinsam mit Künstler Hans-Christian Lotz entstand, zeigt auf vertikal gekippten Minibildschirmen Videos, die auf der Gaming-App OMSI basieren und eine Busfahrt durch eine nächtliche Stadt imaginieren. Die beeindruckenden großformatigen Digitaldrucke von „kbo-Isar-Amper-Klinikum“, der zweiten Arbeit gehen der Frage nach, was wir eigentlich festhalten wollen, wenn wir ein Bild machen. Die psychedelisch-surreal anmutenden Drucke,, die mit 3D-Scannern realisiert wurden, thematisieren die mögliche Auflösung der Identität eines Menschen mit Betreten einer psychiatrischen Einrichtung und spielen auf die universelle Speicherung sensibler Daten an.

Loretta Fahrenholz’ Arbeiten beziehen sich auf aktuelle Debatten um Überwachung, Kontrolle, Datenschutz und zeigen die Mechanismen von Ohnmacht in einer Zeit, in der politischer Widerstand notwendig wird. Die Aktualität ihres Werkes in Anbetracht des weltweit aufkeimenden Neofaschismus ist erschreckend, die Vielschichtigkeit und Komplexität ihrer Arbeiten beeindruckend.

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Februar 2017 in der Galerie Buchholz, Fasanenstraße 30, zu sehen.

Lilli Heinemann

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