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Lothar Menne: Im Regenwald

Nochmals ’68: das neue Heft von "Mittelweg 36".

Von Caroline Fetscher

Von einer Riesenriege der Achtundsechziger hat das Publikum in diesem Jahr so viel hören können, dass man bald nicht mehr hinhören wollte. Hier, bei einem, der sich bisher aus dem Jubiläumstrubel herausgehalten hat, lohnt es sich noch einmal. In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Mittelweg 36“, herausgegeben vom Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS), meldet sich Lothar Menne, Jahrgang 1944, zu Wort. Seinen Weg vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund über „konkret“, den S. Fischer Verlag sowie Hoffmann und Campe zum Chefeinkäufer des Springer-Verlags bei Verlagen wie Ullstein schildert er im Gespräch mit Wolfgang Kraushaar, das in einen dichten Menne- Monolog hineinmäandert, überschrieben mit „Vom Regenwald der Guerilla in den Mediendschungel“. Erkennbar wird die Dialektik einer Karriere, die – ähnlich derjenigen Joschka Fischers – so unwahrscheinlich wie folgerichtig erscheint.

Nur einem frühen Grundsatz sei er treu geblieben, beteuert Menne, nämlich der so richtigen Haltung, „die Welt danach zu befragen: Is it good for the Jews or is it bad for the Jews?“ Wie der Wahnsinn mit den Weggefährten jener Jahre im Ferienhaus der wohlhabenden Menne-Eltern am Kochelsee begann, wo die Kommune 1 ihre Gründung beschloss, wie Menne der Kommune entkam, indem er als „Genosse“ nach Lateinamerika flüchtete, um nicht von „Berserkern wie Kunzelmann“ kontrolliert zu werden, das liest sich in einem Zug, wozu Abstand, Schnoddrigkeit und Selbstironie des Erzählers beitragen.

So lesenswert wie luzide in dieser inhaltsstarken Ausgabe des „Mittelwegs 36“ ist auch das mit Verve verfasst Plädoyer von Institutsleiter Reemtsma für eine Abstinenz der Öffentlichkeit im Umgang mit Traumatisierten. Seine zornige Medienkritik kulminiert im analytischen Sezieren eines Auftritts des Moderators Kerner, als der eine 13-jährige Vergewaltige präsentierte. Aufmerksam gemacht wird hier auf ein Phänomen allgegenwärtiger Barbarei, das sich harmlos ausnimmt, während es symptomatisch ist für brutale Ignoranz. Caroline Fetscher

„Mittelweg 36“, Heft 4 , 17. Jahrgang 2008, 9,50 €. Im Buchhandel oder über die Redaktion Mittelweg 36, Mittelweg 36, 20148 Hamburg.

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