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Kultur: Ludwig Erhard: Wettbewerb ist die beste Sozialpolitk

Ludwig Erhard gehört zu den ganz Großen der neueren deutschen Geschichte. Wie allen wirklich Großen widerfuhr ihm auch das Schicksal, dass heute jeder sein Erbe als "Gemeingut" für sich reklamieren und für beliebige Zwecke verwenden kann.

Ludwig Erhard gehört zu den ganz Großen der neueren deutschen Geschichte. Wie allen wirklich Großen widerfuhr ihm auch das Schicksal, dass heute jeder sein Erbe als "Gemeingut" für sich reklamieren und für beliebige Zwecke verwenden kann. Gleiches gilt auch für sein großes Werk, die "Soziale Marktwirtschaft". Kaum ein Sozialpolitiker, der nicht großspurig diesen Begriff im Munde führt, wenn er gerade das damit machen will, was Erhard damit verhindern wollte: die willkürliche Aufpfropfung wohlfahrtsstaatlicher Politik auf die Marktwirtschaft. Ein probates Mittel gegen solchen Missbrauch des Erhardschen Erbes bietet der kleine Band "Vision und Tat", den Gerd Habermann herausgegeben hat. Aus der ungeheueren Fülle von Büchern, Beiträgen und Reden Erhards hat er ein Brevier destilliert, dass zweifellos den "echten" Erhard - und das in gut verdaulicher Dosierung - zum Vorschein bringt. Der spielte in der Tat nie den Wohlfahrtsstaat gegen die Marktwirtschaft aus, sondern beharrte darauf, dass die Sicherung der Marktwirtschaft vornehmliche politische Aufgabe sei. Wettbewerb, so betonte er, sei die beste Sozialpolitik. Der Wohlfahrtsstaat repräsentiere dagegen die "alte verstaubte Sozialpolitik". Er zerstöre die Eigeninitiative und entwickle eine expansive Eigendynamik, die die Marktwirtschaft verdränge. In der oft missverstandenen Konzeption der "formierten Gesellschaft" dachte Erhard an die Interdependenz der Ordnungen von Sozial- und Wirtschaftspolitik, die beide stimmig sein müssten. Damit sollte auch die schleichende Erosion der Marktwirtschaft gebremst werden. Stets machte er darauf aufmerksam, dass die Wirtschaftspolitik nicht in die Umklammerung der Interessengruppen geraten dürfe - eine nach wie vor aktuelle Warnung. Beeindruckend ist bei alledem, wie sehr sich bei Erhard politische Praxis und politisches Denken zu einer Einheit verschmolzen. Dies sichtbar zu machen, ist das Verdienst eines Buches, dem man nur eine große Leserschaft wünschen kann.

Detmar Doering

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