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Kultur: Lückenhaft: eine Geschichte des deutschen Werbefilms

"Armer Hansi" hieß der Film, mit dem die 1941 von Goebbels gegründete Zeichenfilm GmbH 1943 versuchte, Disneys "Schneewittchen" Konkurrenz zu machen. Goebbels war Disneyfan.

"Armer Hansi" hieß der Film, mit dem die 1941 von Goebbels gegründete Zeichenfilm GmbH 1943 versuchte, Disneys "Schneewittchen" Konkurrenz zu machen. Goebbels war Disneyfan. Hansi, ein animiertes Flügeltier, hatte der Regisseur Gerhard Fieber als Kopie von "Snow White" nachgearbeitet, das den Deutschen bei ihren Feldzügen in die Hände gefallen war. Doch Hansi kam zu spät. Im Juli 1944 müssen auch die Film-Zeichner an die Front.

Nur fünf Jahre später versucht es Gerhard Fieber wieder, diesmal mit seiner Privatfirma, der EOS-Film. "Tobias Knopp" ist eine Wilhelm-Busch-Verfilmung. Über 100 Mitarbeiter schwitzten zwei Jahre über den Zeichentischen, im Februar 1950 wird der erste abenfüllende Animationsfilm der Nachkriegszeit uraufgeführt. Doch "Knopp" floppt: Zeitgleich startet, aufwendiger und in Farbe: Disneys "Schneewittchen".

Zehn Jahre später, in den Sechzigern, lässt der Animationsfilmer Gerd Gockell seine verfilmte "Geschichte des deutschen Trickfilms" enden. Die beiden Großprojekte sind - wie in der Realität - die Ausnahme. Die meisten deutschen Trickfilmer widmeten sich der kurzen Form: dem Experiment, der Werbung und Propaganda. Dabei sind Werbung und Trickfilm von Anfang an eng miteinander verbunden. 1911 lässt Julius Pinscheder für eine Backpulvermischung einen Kuchen mit Stop-Motion im Sausetempo aufgehen. Oskar Fischingers choreographierte Zigaretten tanzen in "Muratti privat" 1935 für die gleichnamige Tabakfirma Ballett. Und 1956 zieht "Mecki" gegen den Schmutzteufel in den Kampf, Start eines bis heute dauernden Kreuzzugs.

Aus dem Staub eines verspielt animierten Archivs öffnet Gockell die Sammlerkästen seines Films, der in "Exil", "Animationsfilm unterm Hakenkreuz", "DDR" und "Trickfilmstudios im Wirtschaftswunderland" gegliedert ist. Ein Epilog ist den experimentellen Animationsfilmern der sechziger Jahre gewidmet. Neben - dankenswerterweise meist ausgespielten - Filmbeispielen präsentiert Gockell seinen Stoff durch Kommentar und Interviews, deren Bild-Ebene er durch Einzelbildanimation verfremdet.

Eine hübsche Spielerei. Als Krux erweist sich der strikt personenbezogenene Ansatz, der größere strukturelle und filmhistorische Zusammenhänge unbarmherzig in Ankedoten auflöst. Merkwürdig auch, dass ausgerechnet Lotte Reiniger, die mit ihren originellen Scherenschnittfilmen als Pionierin in die Filmgeschichte eingegangen ist, mit einer Randbemerkung abgetan wird. Hat es dem Autor etwa missfallen, dass auch manche in der DEFA, deren Dresdener Institut für Trickfilm 1955 gegründet wurde, den Silhouettenfilm als "Manifestation gegen die alles zersetzende amerikanische Kulturbarbarei" einsetzen wollten?

Scherenschnitte gegen Micky Maus. Ein tollkühn deutsches Unterfangen! Als roter Faden zieht sich die Arbeit am großen Bruder USA durch alle Perioden deutscher Trickfilmgeschichte, so oder so. Denn auch die DEFA hat dann später eher von Disney gelernt als gegen ihn geschnippelt. Hier hätte man gern Genaueres erfahren. Überhaupt bleiben gerade an den heiklen Stellen bedenkliche Lücken. Etwa: Was waren das für Filme, mit denen der spätere bundesdeutsche Werbefilmer Hans Fischerkösen von 1942 bis 1944 so erfolgreich war?

Lustig sind sie ja anzuschauen, die hingekritzelten Werbefilmchen von Fischerkösen und Heinz Kaskeline mit singenden Milchkühen, die in herzergreifend schlichten Reimen vom "Glück am Busen der Natur" singen. Zumindest retrospektiv. Peinlich aber auch. Ende der Sechziger war es dann auch mit dieser Gemütlichkeit vorbei. Und wieder kamen die Amerikaner im Spiel. Die "Reklame" wurde der "Kommunikation" unterworfen, der Sarotti-Mohr moderneren Werbestrategien geopfert. "Wir verkaufen unsere Arbeit, nicht die Gesinnung", sagt Kaskeline im Rückblick. Ob einem aber die Sarotti-Mohr-Gesinnung lieber ist als die von Tante Klementine? Die Animation lebt auch anderswo. Und die Zigarettenchoreographien Oskar Fischingers werden heute wieder kopiert.In Berlin in den Kinos Hackesche Höfe und Eiszeit

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