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Kultur: Männer auf Egotrip

Jussi Adler-Olsens Krimibestseller „Schändung“

Ganz klar: Der dänische Krimischriftsteller Jussi Adler-Olsen hält nicht viel von Eliten. In seinem ersten Thriller „Erbarmen“ war es um Schein und Sein im Leben einer Spitzenpolitikerin gegangen. In seinem zweiten, jetzt ins Deutsche übertragenen Roman „Schändung“ bekommt es Olsens Held, Polizeikommissar Carl Morck, mit drei Größen der dänischen Gesellschaft zu tun, angeführt von einem Schönheitschirurgen: „Er hatte den Ehrgeiz, mindestens fünfzehn Prozent des Verdienstes an sämtlichen Brustoperationen und Liftings in ganz Nordeuropa auf sein Konto zu schieben. Und er war auf dem besten Weg, das zu verwirklichen.“

Drei Männer auf Egotrip. Jeder von ihnen ist ein Erfolgstyp, keiner besonders sympathisch, und alle drei sind einander verbunden durch Exzesse aus der Zeit ihrer Jugend: Man kann und soll an Stanley Kubricks Film „Clockwork Orange“ denken. Kommissar Morck und sein Mitarbeiter Assad, der Mann mit dem undefinierbar-nahöstlichen Migrationshintergrund, bekommen es mit diesen Erfolgstypen zu tun, als sie den viele Jahre zurückliegenden Mord an einem Geschwisterpaar aufzuklären versuchen.

Lange ahnen die Ermittler mehr, hinter wem sie her sind, als dass sie es wissen. Derweil erzählt Olsen parallel zur Arbeit der Polizei die Geschichte einer Frau, die mit den drei Männern ebenfalls eng verbunden war. Sie war sogar die charismatischste Figur in der Oberschülerclique. Nun aber lebt sie unter den Verlierern und Ausgeschlossenen der Kopenhagener Gesellschaft. Dieser Frau gehört Jussi Adler-Olsens Sympathie – sie ist die Einzige aus dem Viererbund, die es geschafft hat, die Sucht nach Gewaltexzessen zu überwinden. Die Konstellation in Olsens zweitem Krimibestseller (aktuell Platz fünf der „Spiegel“-Charts) hat etwas Vorhersehbares – und doch hält der Spannungsbogen, wie sich das für einen guten Thriller gehört. Das liegt auch daran, dass Olsens Kommissar Morck ein Einzelkämpfer ist, aber kein Supermann, nicht mal ein Held.

So reißen sich Carl Morck und Assad sowie die Frau und ihre drei Freunde von früher, die jetzt ihre Feinde sind, in ein blutiges Chaos. Und es überleben nur die, die weniger Schuld auf sich geladen haben. Werner van Bebber

Jussi Adler Olsen: Schändung. Aus dem Dänischen von Hannes Thiess. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010.

460 Seiten, 14,90 €.

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