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Kultur: Märchenbild mit Dame

Die Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf wird 90

Sie ist zweifellos die Salondame unter den großen Sängerinnen des 20. Jahrhunderts. Hört man sie als Susanne mit der „Rosenarie“ aus dem „Figaro“, so lässt sich schwer vorstellen, dass sie tatsächlich jemals eine dienstbare Zofe verkörpern konnte. Fast steht diese Künstlerin mit ihrer Perfektion neben gewissen Rollen. Ebenso wenig will ihre Agathe ins Försterhaus des deutschen „Freischütz“- Waldes passen. Elisabeth Schwarzkopf ist Erste Sängerin, was immer sie singt. Kein Naturkind, sondern Kunstgeschöpf. Wenn aber ihre Agathe „Wie nahte mir der Schlummer“ intoniert, dann ist zu bestaunen, mit welcher Subtilität sie ins Crescendo geht („bevor ich ihn geseh’n“) und wie der Zauber der „schönen Nacht“ im Silberglanz ihrer Stimme aufscheint. So unvergleichlich das Timbre, so typisch ist das Kalkül, das sanfte Einschwingen der Spitzentöne, überhaupt die Höhenschönheit, die jeden empfänglichen Hörer süchtig machen kann.

Die Menge der auf Tonträgern erhaltenen Schwarzkopftöne ist für ihre Generation ungewöhnlich. In Jarotschin bei Posen am 9. Dezember 1915 geboren, debütiert die Schülerin Maria Ivogüns 1938 am Deutschen Opernhaus Berlin als Blumenmädchen. Die Karriere führt bald nach Wien, Salzburg, Bayreuth, London, Mailand, New York. Aufgebaut wird sie von Walter Legge, einem Mogul der Plattenindustrie, den die Schwarzkopf 1953 heiratet. 1972 dann der Bühnenabschied, Liederabende noch bis 1979. Die Meisterkurse der Diva sind begehrt und gefürchtet, weil sie gnadenlos mit den Adepten der holden Kunst umgeht. Ihre Mitgliedschaft in der NSDAP sucht sie lange zu verheimlichen, bis Alan Jeffersons Biografie 1996 den Finger in die Wunde legt. Sie kann fuchsig werden, wenn sie darauf angesprochen wird: „Wir haben nur der Kunst gedient.“

„Wo ich doch immer die gleiche bin“: Dieser Satz der „Rosenkavalier“-Marschallin passt eigentlich auf alles, was die Schwarzkopf je gestaltet hat. In diesem Fall aber ist ihr Name zum Synonym der Rolle geworden. Neben Mozart-Partien, einer kühlen Gräfin und schwungvollen Donna Elvira machen vor allem ihre Strauss-Interpretationen Geschichte.

Es ist ein Septimensprung in der Szene der Ariadne, an dem sich die Vollendung ihres Umgangs mit dem Wort-Ton-Verhältnis bei Strauss/Hofmannsthal ermessen lässt: „Ein Schönes war“, Schwarzkopf zerlegt den Gedanken in reine Gegenwart, Begriff des Schönen (die Liebe Theseus-Ariadne), und nutzt die Atemzäsur, um auszudrücken, dass dies alles vorbei ist, eben Vergangenheit, „war“. Über solche wunderbaren Raffinessen ihrer Interpretationen lassen sich Seminare halten, wie einst geschehen an der FU.

Es handelt sich um Studiokunst, denn sie hat die Ariadne nie auf der Bühne gesungen. Karajan ist Dirigent der Aufnahme (1954) ebenso wie der Kulteinspielung der Humperdinck-Oper „Hänsel und Gretel“ (1953). Da vereint sich eine Sängerin, die vom Meininger Theater geprägt ist, mit der Primadonna vokalen Feinschliffs zum Duett der Märchenkinder: Elisabeth Grümmer und Elisabeth Schwarzkopf. Und es klingt einzigartig, wie der „Abendsegen“ der beiden Damen „zu Himmels Paradeisen“ aufsteigt.

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