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Kultur: Märkischer Untergrund

Rechnet man ihn - was Werk und Person nahelegen - den Stillen im Lande zu, so muss das Wort von falschen Assoziationen befreit werden: Günter de Bruyn wohnt zwar vorwiegend auf einem märkischen Dorf, aber er ist die Welt nicht geflohen. Und die Zurückgenommenheit, die er ausstrahlt, bedeutet keinen Rückzug in die Innerlichkeit.

Rechnet man ihn - was Werk und Person nahelegen - den Stillen im Lande zu, so muss das Wort von falschen Assoziationen befreit werden: Günter de Bruyn wohnt zwar vorwiegend auf einem märkischen Dorf, aber er ist die Welt nicht geflohen. Und die Zurückgenommenheit, die er ausstrahlt, bedeutet keinen Rückzug in die Innerlichkeit. Vielmehr hat er sich als Autor durchaus exponiert, zuerst in seinen literarischen Arbeiten, später, nach der Wende, auch in Reden und Aufsätzen zu politischen und kulturpolitischen Themen. In gewissem Maße ist er in diesem letzten Jahrzehnt zu einer öffentlichen Instanz geworden. Aber auf seine Weise: zaudernd, skrupulös, introvertiert - kein Fanfarenbläser, kein selbstgewisser Bekenner, kein bemühter Pädagoge. Irgendwie hat man immer das Gefühl, er wolle sich entschuldigen, wenn er etwas sagt. Um so stärker ist die Bereitschaft, ihm zuzubilligen, dass er etwas zu sagen hat.

Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Günter de Bruyn in eine Reihe mit Wolf, Kant, Müller gehört, also jener Autoren-Generation, die mit der DDR aufwuchs, nicht wenige von ihnen als ihre Parteigänger. Zumal seine frühen Bücher leugnen diese Zugehörigkeit nicht - weder die Herkunft aus dem Nachkriegserlebnis noch ihre Prägung durch das ewige Ringen mit den real-sozialistischen Irrungen und Wirrungen. Aber immer hatten seine Bücher, angefangen mit "Buridans Esel", seinem Durchbruch als Autor im Jahr 1968, etwas von Flaschenpost: Sie transportierten eine DDR, die es auch gab, eine andere DDR, eine heimlich-offenbare Binnenwelt in und unter ihrer offiziösen Form. Die zweibändige Autobiographie, die er ab 1992 veröffentlichte, "Zwischenbilanz" und "Vierzig Jahre", legte den Lebensfaden frei, der diese Sichtweise hervorbrachte. Es ist der Versuch der Selbstbehauptung, abgetrotzt schwierigen, auch engen Verhältnissen, mit nicht geringem Eigensinn durchgehalten - ein Leben, das sich, wie de Bruyn es formuliert hat, "in der DDR abspielte und von ihr beeinflusst wurde, aber doch mein Leben blieb".

Vielleicht hat das auch mit der Bodenhaftung zu tun, die de Bruyn auszeichnet. Geboren in Berlin, Grundschullehrer auf dem Lande in Brandenburg, dann Bibliothekar wieder in Berlin: Nichts hat ihn herausgerissen aus dem märkisch-berlinerischen Untergrund, auch sein eigener Ehrgeiz nicht. Im Gegenteil: Bewusst hat er sich in das literarisch-kulturelle Urstromtal dieses Landes gestellt. Seit 1981 edierte er - der bereits mit literaturgeschichtlichen Büchern hervorgetreten war - einen "Märkischen Dichtergarten", zusammen mit Gerhard Wolf, dem Mann von Christa Wolf. Das war damals Neu-Landgewinnung, literarisch und wohl auch politisch. Nach der Wende, nach dem Wieder-Hervortreten Brandenburgs als Land, bekam dieser Bezug etwas Programmatisches. Günter de Bruyn wurde so etwas wie die Stimme Brandenburgs, und es ist wohl nur seine spröde Bescheidenheit, also das Märkische an ihm, das ihn daran hindert, von dieser Rolle den reichlichen Gebrauch zu machen, den sein zahlreiches Publikum von ihm erwartet.

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