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Kultur: Mäzenatentum: Abschied von Cézanne

Durchblättert man den Katalog der Ausstellung "Cézanne in Berlin", so findet sich dort bei neun von 28 Arbeiten, darunter allein bei fünf der zehn Gemälde, die Angabe "Sammlung Berggruen in den Staatlichen Museen zu Berlin". So hätte es sein sollen, als die Verhandlungen über die Schenkung der Sammlung Berggruen und den finanziellen Ausgleich der Erbansprüche seiner Kinder noch die Gesamtheit der auf Picasso und Klee fokussierten Sammlung meinten.

Durchblättert man den Katalog der Ausstellung "Cézanne in Berlin", so findet sich dort bei neun von 28 Arbeiten, darunter allein bei fünf der zehn Gemälde, die Angabe "Sammlung Berggruen in den Staatlichen Museen zu Berlin". So hätte es sein sollen, als die Verhandlungen über die Schenkung der Sammlung Berggruen und den finanziellen Ausgleich der Erbansprüche seiner Kinder noch die Gesamtheit der auf Picasso und Klee fokussierten Sammlung meinten. Es kam bekanntlich anders. Von dem Vertrag, den der Sammler mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz kurz vor Weihnachten in Anwesenheit des Bundeskanzlers unterzeichnete, sind die Cézannes ausgenommen. Dass sie in Berlin bleiben werden, ist nach Lage der Dinge kaum noch zu hoffen.

Nach kurzfristig ermöglichter Verlängerung endet nunmehr am 28. Januar die Ausstellung "Cézanne in Berlin" im Stülerbau, die von bislang 80 000 Kunstfreunden besucht wurde - knapp der Hälfte der (Rekord-)Gesamtbesucherzahl der Sammlung Berggruen im zurückliegenden Jahr ingesamt. Der Titel dieser exquisiten Zusammenstellung ist durchaus programmatisch zu verstehen, als Verweis auf die Verbindung, die die Berliner Museen zum Werk des französischen Erneueres der Malerei hatten. Die Nationalgalerie war das weltweit erste Museum, das - 1897 - ein Gemälde des jahrzehntelang verkannten Cézanne erwarb. Doch die Beziehung der Berliner Museen zur zeitgenössischen französischen Malerei der - im weitesten Sinne - Impressionisten war belastet durch die Abneigung des Kaisers, dessen gehen die Moderne geschleudertes Verdikt der "Rinnsteinkunst" sich mit dem anschwellenden Nationalismus unheilvoll verband. 1996 erinnerte die Nationalgalerie mit der Ausstellung "Manet bis van Gogh. Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne" an die Konflikte der Kaiserzeit. Peter-Klaus Schuster, in Personalunion Generaldirektor der Staatlichen Museen und Chef der Nationalgalerie, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er dem sendungsbewussten Schweizer von Tschudi in der Bewertung der französischen Malerei folgt, und man darf erwarten, dass die Wiedereröffnung der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel im kommenden Dezember die triumphale Bekräftigung dieser Haltung zeigen wird.

Paul Cézanne steht an der Schwelle der modernen, das heißt: jeder Form einer autonomen Malerei. Mit und nach Cézanne änderte sich die Entwicklung der Kunst. Die 1897 erworbene "Mühle bei Pontoise" gehört zum Kernbestand der Nationalgalerie. Aber dem mutigen Beginn entzog die Intervention Wilhelms II. jede Entfaltung. Von den am wirkungsmächtigsten Bildern Cézannes, den Ansichten des Bergmassivs Sainte-Victoire, gibt es in den Berliner Museen kein Beispiel.

Wohl aber in der Sammlung Berggruen. Das gegen 1890 entstandene Gemälde verkörpert einen jener Meilensteine, die über den Rang einer Sammlung entscheiden. Die Lücke, die an dieser Stelle in der Nationalgalerie klafft, ist unübersehbar. Unter den fünf Cézannes, die Heinz Berggruen im Laufe seiner Kunsthändlerkarriere erwerben konnte, mag ihm das Portrait der "Madame Cézanne" persönlich näher stehen; die pièce de résistance indessen bildet die "Montagne Sainte-Victoire". - Es gab in Berlin eine weitere Version dieses Motivs, in der bedeutenden Sammlung des Bankiers Bernhard Köhler. Von seinen einstmals vier Cézannes werden zwei als "Beutekunst" in der Petersburger Eremitage zurückgehalten - darunter das Bild der Sainte-Victoire.

Der einer Schenkung gleichkommende Ankauf der Picasso- und Klee-Bestände Berggruens durch Bund und Berlin hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Glanzzeit der Berliner Museen ohne die entscheidene Hilfestellung von Mäzenen nicht zu denken ist. Diese Tradition eines zumal jüdischen Mäzenatentums ist 1933 zerstört worden. Heinz Berggruen war in seiner noblen Ansprache anlässlich der Vertragsunterzeichnung am 21. Dezember klug genug, diesen Bezug anzudeuten, ohne ihn zu strapazieren. An die Geschichte mag ein Einzelner anknüpfen; strukturell liegen die Verhältnisse heutzutage anders. Eben darum ist ja der Staat gefordert, durch Änderung der Rechtslage zu einem Klima beizutragen, in dem mäzenatisches Handeln wieder zu einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit wird.

Es war eine Enttäuschung, dass die Geste Berggruens keine Antwort von dritter Seite gefunden hat, die die Übernahme seiner vollständigen Sammlung ermöglicht hätte. Die Beschwörung der Namen von einst, der Arnholds, Oppenheims und von der Heydts, führte nicht weiter. Wohl aber bedarf es der Erinnerung an ihr damaliges Umfeld. Selten, wennn überhaupt, ist Mäzenatenzum uneigennützig; es gilt, den Eigennutz für die Allgemeinheit fruchtbar zu machen. Im Rahmen des Berliner Forschungsprojektes "Bürgerlichkeit - Wertewandel - Mäzenatentum" erschien jüngst die erste umfassende Darstellung zu James Simon, dem wohl bedeutendsten Gönner der Berliner Museen. Die besonderen Bedingungen, unter denen Großbürger wie Simon an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu Mäzenen, ja Eckpfeilern der Museumsentwicklung wurden, sind an das Gefüge der Kaiserzeit gebunden. Aber es ist Aufgabe der heutigen Politik, Verhältnisse zu befördern, die zu vergleichbaren Zuwendungen an öffentliche Einrichtungen führen.

Ein Abschiedsblick in Berggruens Cézanne-Ausstellung mag helfen, das Bewusstsein für das Zusammenspiel von privatem Engengement und gesellschaftlichem Umfeld zu schärfen. Berlin hat seinen Mäzenen viel zu verdanken. Im Stülerbau zu besichtigen ist die Aufforderung an das gegenwärtige Berlin und seine Bürger, die Sammlung Berggruen in ihrer Gersamtheit in den Staatlichen Museen zu verankern.

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