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Kultur: Maggi fürs Volk

Puccinis „Manon Lescaut“ an der Deutschen Oper Berlin

Keine zehn Minuten dauert es, bis auf der Bühne richtig schön geschunkelt wird: Häubchen an Häubchen, Schürzlein an Schürzlein, Dreispitz an Dreispitz – neckisch, allerliebst, wie es in einer französischen Poststation des 18. Jahrhunderts eben so zugeht. Mindestens genauso lange aber weiß der unbefangene Zuschauer musikalisch gar nicht, in welche Welt, welches Stück er sich hier verirrt haben könnte: in die Superschwergewichtsklasse des „Phantoms der Oper“ vielleicht? Oder in einen südländisch gewandeten, Kopf stehenden „Rosenkavalier“, dessen Montagecharakter und höhnische Uneigentlichkeiten seit jeher so etwas wie die dialektische Kehrseite von Puccinis allzeit brodelndem „Fleischextrakt der Gefühle“ darstellen?

Spannende, ästhetisch weit reichende Fragen, die an diesem Abend leider überhaupt niemanden interessieren. Renato Palumbo am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Berlin nicht, der in zügigen Tempi vor allem mit der Oberflächenbehandlung der „Manon Lescaut“ beschäftigt scheint und sich ansonsten vergeblich darum bemüht, nicht zu laut zu sein (was ihm zur Pause wütende Buhs aus den Rängen einträgt). Und auch das Regieteam – Gilbert Deflo und William Orlandi – kneift vor der „verzweifelten Leidenschaftlichkeit“ dieser Geschichte, ihrer tristanesken Fallhöhe alle Ohren und Augen zu. Gesungen wird brav vorne an der Rampe, meist flankiert von ein paar grinsend mitwippenden Choristen, sobald es verführerisch wird, wirft sich Manon rücklings auf den Boden, und das Défilée der Huren im dritten Akt ist mindestens so sexy wie das der Rokoko-Greise im zweiten. Überhaupt riecht die Ausstattung in ihrer Opulenz der Leere (ein schnürbodenhohes Himmelbett, ein Ruderboot für die Reise nach Amerika, blutrote Pappmaschee-Felsen für die Wüste) arg nach Wiener Staatsoper – für Arme.

Adina Nitescu in der Titelpartie und Marcello Giordani als Des Grieux rührt das wenig. Sie stehen alle Ekstasen gesund bis zum bitteren Ende durch: er zu Beginn mit gestemmter Heiserkeit, sie kraft eines voluminösen, von keinerlei stilistischer morbidezza angekränkelten Soprans. Andrzej Dobber als Lescaut und der unermüdliche Carlos Krause als Geronte komplettieren ein Ensemble, dem man für die nahe Zukunft ein paar Häubchen weniger wünscht.

Wieder am 23., 26. und 29. Dezember.

Christine Lemke-Matwey

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